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134 Ende der 1920er Jahre spitzt sich die politische
Konfrontation zwischen links und rechts deutlich zu.
Ort der Auseinandersetzung ist immer öfter die Stra-
ße. Es kommt regelmäßig zu Kundgebungen, Demons-
trationen und Massenaufmärschen, die immer stärker
einen militärischen Charakter annehmen. Verantwort-
lich für diese Militarisierung der Straße sind nicht
zuletzt die sogenannten Wehrverbände, paramilitäri-
sche Einheiten im Vorfeld der großen Parteien, die
ihre Macht in Form von martialischen Aufmärschen
demonstrieren. Am 12. Mai 1929 organisiert einer
dieser Wehrverbände, die den Christlichsozialen na-
hestehende Heimwehr, einen Marsch durch Wien. Mit-
ten in der Hochburg der Sozialdemokratie und zwei
Wochen nach dem großen sozialdemokratischen Mai-
aufmarsch kommt das einer bewusst herbeigeführten
Provokation gleich. Der Zug der Heimwehrverbände
sammelt sich in der Döblinger Hauptstraße, also in
einem bürgerlich geprägten Viertel der Stadt, und
steuert dann die Ringstraße im Zentrum der Stadt an.
Ist das nicht grotesk?
Eine gute Woche später, am 26. Mai 1929, macht
sich die sozialdemokratische Illustrierte Der Kuckuck
unter dem Titel „Hahnenschwanzgrotesken“ über die
Heimwehr-Kundgebung lustig. „Da drängen sie (die
Hahnenschwänzler, d. h. die Heimwehrmitglieder, die
traditionellerweise Hüte mit Spielhahnfedern tragen,
A. H.) sich am 12. Mai den Wienern auf, zogen durch
Döbling und über die Ringstraße. Döblinger Haupt-
straße: nahezu alle Fenster geschlossen, ein paar
Neugierige vor einem Haustor, aber rechts und links,
Kampf um die Straße ·
Demonstrationen, Kundgebungen und
Massenpolitik12
Abb. 1 „Hahnenschwänzlertanz“ der Wiener Tänzerin Fritzi Klein,
präsentiert bei einer sozialdemokratischen Kundgebung am 1.
Mai
1929. Die Grotesktanz-Einlage
richtet sich gegen
die Heimwehr,
die paramilitärische Vorfeldorganisation der Christlichsozialen,
die
wegen ihres Hutschmucks als „Hahnenschwänzler“ bezeichnet
werden. Der Kuckuck, 26.
Mai 1929, S.
3.
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
- Untertitel
- Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
- Autor
- Anton Holzer
- Verlag
- Primus Verlag
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-86312-073-3
- Abmessungen
- 23.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
- Neue illustrierte Welt Einleitung 10
- Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
- Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
- Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
- Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
- Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
- Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
- Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
- Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
- Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
- Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
- Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
- Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
- Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
- Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
- Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
- Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
- Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
- Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
- Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
- Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
- Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
- Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
- Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
- Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
- Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
- Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
- Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
- Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
- Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
- Anhang