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Einleitung | 15
Oftmals ergriffen städtische Obrigkeiten und Institutionen, auch Individuen, umfang-
reiche Maßnahmen, um Ver- oder Entsorgungssysteme zu optimieren. Vor allem in
urbanen Zentren ökonomisch prosperierender Regionen wurden technische Experten
zur Errichtung von Wasserversorgungssystemen herangezogen. Diese Entwicklung
resultierte mancherorts in sehr komplexen und teuren technischen Strukturen, die
mitunter bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts oder sogar bis ins 20. Jahrhun-
dert genutzt wurden.18
Zweitens : Die Dauerkrise der städtischen Umwelt habe sich durch Urbanisierung
und Stadtwachstum verschärft und sei erst durch die Hygienediskussion und die Cho-
leraepidemien in den Blick gekommen und schließlich durch die Errichtung groß-
technischer Infrastrukturen beseitigt worden. Unzweifelhaft führte die Urbanisierung
zum Ende des 18. und im beginnenden 19. Jahrhundert zu einer »Verschärfung der
Problemlagen« in den Städten,19 daraus ein lineares Modernisierungsnarrativ zu kon-
struieren, erscheint nicht sinnvoll. Es bestand bereits vor der industriellen Epoche
eine »große Bandbreite an städtischen Umweltproblemen«, was Stadtbewohnern/in-
nen durchaus bewusst war.20 Dies hat auch Peter Brimblecombe mit seinem Buch
zur Londoner Luftverschmutzung unterstrichen, das in seiner Vielschichtigkeit und
vor allem aufgrund des langen Untersuchungszeitraumes immer noch lesenswert ist.21
Selbst die Etablierung von Infrastrukturen folgte selten einem linearen Schema : Oft
gab es Widerstände, meistens wegen der Frage der Finanzierung, es kam zu situativen
Entscheidungen, die manchmal in Zwischenlösungen und in der Persistenz von alten
Systemen/Praktiken resultierten.22 Wenn man die zunehmende Etablierung von öf-
fentlichen Grünräumen als Zeichen für ein steigendes Naturbewusstsein der Stadtbe-
wohner/innen deutet und dieses ex post als Vorläufer der ökologischen Bewegung des
20.
Jahrhunderts sieht, dann erscheint hier ebenso ein differenzierter Blick notwendig :
Viele Umweltprobleme wurden externalisiert und bis ins 20. Jahrhundert nach einer
out-of-sight-out-of-mind-Logik behandelt, und das Streben nach mehr »Grün« in der
Stadt war klar anthropozentrisch ausgerichtet.23
Die meisten Studien zur städtischen Umweltgeschichte behandeln einen bestimmten
Bereich städtischer Umwelt – Arbeiten, die einen holistischen Ansatz verfolgen, sind
hingegen selten : Richard Evans hat die Hamburger Cholera des späten 19. Jahrhun-
derts in einer breiten sozial- und umwelthistorischen Perspektive untersucht, und Ha-
rold Platt hat die ökologische Transformation der Städte Manchester und Chicago
18 Reith, Umweltgeschichte 124 – 126 ; Radkau, Natur, 172 – 175 ; vgl. für Zürich : Suter, Wasser, Illi, Schîss-
gruob u. Sablonier, Wasser ; für Wien : Haidvogl et al., Wasser.
19 Winiwarter/Knoll, Umweltgeschichte, 191.
20 Ebd., 186f.
21 Brimblecombe, Smoke ; Cavert, Smoke.
22 Vgl. z. B. im Hinblick auf Wasserinfrastruktur : Evans, Tod u. Pichler-Baumgartner, Weg.
23 Frioux, Crossroads, 533f.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Titel
- Transformationen städtischer Umwelt
- Untertitel
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Autor
- Georg Stöger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 368
- Schlagwörter
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364