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der Lebensmittelversorgung |
Modifikationen der Lebensmittelversorgung
Bereits in den 1760er Jahren war in Linz als merkantiles Projekt der Landstände und
des Kaiserhofes eine »Agricultur-Societät« gegründet worden, von der eine Moderni-
sierung der Landwirtschaft ausgehen sollte. Diese Gründung blieb aber offenbar ohne
umfangreiche Aktivitäten, erst mit der Etablierung einer Lehrkanzel für Landwirt-
schaft am Linzer Lyzeum 1808 setzten sich die Modernisierungsdiskurse fort. Da-
mit verbunden war 1810 der Ankauf eines »Musterhofes« in der Linzer Vorstadt,
der einerseits für den praktischen Unterricht gedacht war, andererseits als Vorbild
für moderne landwirtschaftliche Bewirtschaftungsmethoden (v.a. Propagierung der
Fruchtfolge und des Kartoffelanbaus) fungieren sollte.226 Dieser Betrieb (der ehema-
lige Taschlbauer) war am südlichen Rand der Vorstädte gelegen und kam mit über
32 Joch Äckern und Gärten, zwei Pferden, zwei Ochsen, rund zehn Kühen (ohne
Jungvieh), zehn Schweinen und hundert Hühnern einem Großbetrieb gleich.227 Die
1825 erfolgte Auflassung und Versteigerung des Musterhofes lässt sich als ein Hin-
weis auf die mangelnde Strahlkraft derartiger Projekte zu dieser Zeit lesen – bereits
vor dem Ankauf waren die Landstände skeptisch gewesen und hatten darauf verwie-
sen, dass die Landwirtschaft vor Ort ohnehin ein »Vorbild« sei.228 Mit der Gründung
des »k.k. Landwirthschafts-Vereins für Oberösterreich« und den landwirtschaftlichen
Ausstellungen und Vorführungen im Volksgarten betrat die Agrarmodernisierungs-
diskussion um die Mitte des 19. Jahrhunderts wieder eine städtische Bühne.229 Wenn
man die Erntemengen betrachtet (vgl. Tab. 20), scheint der Reformdiskurs nicht zu
großen Veränderungen in der Landwirtschaft des Umlandes geführt zu haben. Roman
Sandgruber hat für den oberösterreichischen Pflanzenbau in der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts eine Phase der Stagnation konstatiert, den er vor allem auf die un-
garische Konkurrenz beim Getreideanbau zurückführt.230 Der Großraum von Linz
blieb aber trotz »der Umwälzungen, welche der moderne Cerealienverkehr hervorge-
rufen hat«
– gemeint sind hier die umfangreichen ungarischen Weizenimporte
–, vom
Ackerbau geprägt.231
Relevanter waren Verluste lokaler Produktionsflächen infolge von Überbauung und
Umnutzung.232 Fast jede Erweiterung der Stadt betraf landwirtschaftlich genutzte Flä-
226 LR BIIA38, Reg. 19311 (78 – 83) ; Pillwein, Beschreibung, 227f.; Stauber, Ephemeriden, 371 – 375 ; vgl.
Hoffmann/Meixner, Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, 291 u. Rumpler/Urbanitsch, Habsburgermonarchie,
Bd. 8, 229f.
227 Pillwein, Beschreibung, 227f.; Heinse, Linz, 1. Aufl., 33.
228 LZ/AB, 3.1.1825 ; LR BIIA41, Reg. 19887 (66f.) ; Fink, Geschichte, 83.
229 Pillwein, Linz, Bd. 2, 26 ; Stauber, Ephemeriden, 374f.; Der Oberösterreicher 1884, 173f.; Statistischer
Bericht 1876, XXI ; vgl. Mayrhofer, Donaustadt, 153.
230 Sandgruber, Lebensstandard, 277.
231 Foltz, Statistik, 79 ; Linz a./d. Donau, 10 (Zitat).
232 Vgl. zu Wien : Brunner/Schneider, Umwelt, 42.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Titel
- Transformationen städtischer Umwelt
- Untertitel
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Autor
- Georg Stöger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 368
- Schlagwörter
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364