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210 | Geordnete und modifizierte Umwelt
1800 eine Fischhändlerin beim Stadtrat um »Anweisung eines Orts zur Miststätte«
ansuchte, fühlte man sich dort nicht zuständig.43 Immer noch war die Sauberkeit der
Straßen eine private Zuständigkeit der Haushalte, die sogar in eine Verlassenschaftab-
handlung Eingang fand : So bezahlte in den 1780er Jahren eine Frau in der Altstadt für
ihre Wohnung, »da ihr die Straßensäuberung obliegt«, eine geringere Miete.44 Zudem
setzten sich anlassbezogene Reinigungen fort : Vor dem Papstbesuch 1782 ordnete
die Landeshauptmannschaft die Abdeckung von Rinnsalen und Straßensäuberungen
an45 und noch im beginnenden 19. Jahrhundert finden sich Reinigungsarbeiten nach
Abhaltung der Märkte.46
Stärker verfolgt wurde die Lösung, Sauberkeit und Ordnung über Pflasterungen
herzustellen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kam es in diesem Bereich zu
einer staatlich-städtischen Kooperation : Zum Ende der 1760er Jahre übernahmen die
Landstände Beschotterung, Ausbesserung, sporadische Reinigung und eine teilweise
Pflasterung für zwei Einfallsstraßen (die Herrengasse und die Landstraße) innerhalb
des Linzer Burgfrieds gegen die jährliche Zahlung von 300 fl durch die Stadt. Für die
Stände war dies ein erhebliches Verlustgeschäft, das vermutlich im Verlauf der 1770er
Jahre wieder eingestellt wurde.47 Zu dieser Zeit gab es aber bereits eine spezifische
Erwartungshaltung, was eine »moderne« Stadt – und besonders das Entree zu dieser –
ausmachte. Von den Stadt- und Reisebeschreibungen wurden die städtischen Pflas-
terungen resp. deren Absenz ab den 1780er Jahren immer aufmerksamer verfolgt.48
Wenngleich die Stadt zunehmend in die Pflasterung der Stadt investierte – 1816 wur-
den dafür über 2.600 fl ausgegeben49 –, blieb die Verantwortung, »bis zur Mitte der
Gasse« die Pflasterung zu übernehmen und zu erhalten, bei den Haushalten, was
– wie
im 18. Jahrhundert – offenbar nur mäßig funktioniert hatte.50
Intermediäre Sauberkeit
Nach den Krisen des beginnenden 19. Jahrhunderts verstärkte sich das städtische En-
gagement im Bereich der Sauberkeit spürbar, was möglicherweise auf die günstige
wirtschaftliche Situation zurückzuführen ist, die in den frühen 1820er Jahren ein-
setzte und bis zur Mitte der 1840er Jahren andauerte (vgl. Kap. 1). Bereits 1818 hatte
43 AStL, HS 1087 (Stadtratsprotokoll 1800), fol. 260a.
44 LR BIIB4, Reg. 1819 (117f.).
45 LR BIIG7, Reg. 4335 (165f.) ; vgl. auch OÖLA, Landschaftsakten, Sch. 448, D.XV.3/No. 112.
46 LR BIIA42, Reg. 20155 (87f.).
47 OÖLA, Weinberger Archivalien, Sch. 60, No. 4 ; vgl. zum staatlichen Projekt der »Chaussee« vgl. EdN,
s.v. Chaussee.
48 Füssel, Tagbuch, 221 u. Hoff, Skizze, 14 ; vgl. Gimpel Insel, 169.
49 AStL, HS 436 (Bauamtsrechnung 1816), pag. 153 u. 146.
50 LR BIIA42, Reg. 20066 (12f.) ; ebd., Reg. 20156 (88f.).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Titel
- Transformationen städtischer Umwelt
- Untertitel
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Autor
- Georg Stöger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 368
- Schlagwörter
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364