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: Stadt, Umwelt und Alltag |
For schungsarbeiten neben der Beschäftigung mit den auslösenden Momenten und
dem Ereignis an sich als systemischer Zugang das Konzept der Vulnerabilität vor-
geschlagen worden, wobei Vulnerabilität als Wahrscheinlichkeit verstanden wird, mit
der Menschen aufgrund bestimmter Ereignisse und Konstellationen Schaden neh-
men. Dabei ist von einer historisch bedingten und sich verändernden Vulnerabilität
auszugehen, die zudem durch Wahrnehmungen und Diskurse bestimmt sei. In der
Forschung ist die Vulnerabilität meist über die Mortalität oder die Höhe von Schäden
bemessen worden, seit den letzten Jahren fragt man aber zunehmend nach dem Han-
deln in Krisen. Dem Krisenereignis folgten gesellschaftliche Auswirkungen, wobei die
Gesellschaft mit kurzfristiger Anpassung resp. langfristiger Adaption reagierte. Durch
Adaption – d. h. durch präventives Handeln – konnten Gesellschaften eine höhere
Resilienz gegen künftige Krisen erreichen.87
Die Betrachtung von Epidemien liegt an der Schnittstelle zwischen Medizin- und
Umweltgeschichte : Neben Fragen nach Gesundheit und Krankheit, nach medizini-
schem Wissen und medizinischen Infrastrukturen stehen die nach der Rolle der städ-
tischen Umwelt, denn Übertragungswege waren eng an spezifische Umweltbedingun-
gen geknüpft, und Epidemien induzierten ebenso erhebliche Umweltveränderungen.
Für das 18. und 19. Jahrhundert handelt es sich um Pest- und Choleraepidemien, die
im Hinblick auf die Impacts und die dagegen ergriffenen Maßnahmen untersucht
werden. Häufig wurde hier ein lineares Narrativ mit – oft über die Passivform artiku-
lierten – Automatismen entworfen, das ein »Besiegen« von Epidemien durch die Ex-
pansion von Wissen und Infrastrukturen sowie die Durchsetzung neuer Hygienestan-
dards beschrieb. Dabei wurden zentrale Fragen nach Kausalitäten sowie nach Motiven,
Strategien, Interessen und Macht von Akteuren, nach der räumlichen und sozialen
Ungleichheit bei Krankheit und Tod selten gestellt.88
Bis ins 19. Jahrhundert traten regelmäßig klimatisch induzierte Versorgungskri-
sen auf : Eine spezifische Kombination von Temperatur- und Niederschlagsanoma-
lien resp. Extremereignissen resultierte in Ernteausfällen, geringeren Erträgen oder
einem geringeren Nährwert der Lebensmittel, was wiederum deren Preise ansteigen
ließ. War die Ernährungsbasis Getreide von dieser Entwicklung betroffen, dann er-
schwerte sich für einzelne Bevölkerungsteile der Zugang zu Nahrungsmitteln, was
in einer Hungersnot resultieren konnte. Diese hatte demographische und soziale
Auswirkungen, die von Unterernährung, dem Sinken der Geburtenzahlen und ei-
nem Anstieg der Mortalität bis hin zu Abwanderung oder sozialen Unruhen reichen
konnten.89 Derartige Versorgungskrisen sind nicht nur als Naturkatastrophen, son-
dern auch als ein Versagen von vulnerablen Systemen und als ein Produkt spezieller
87 Krämer, Vulnerabilität ; Collet, Vulnerabilität ; Collet, Katastrophe, 30 – 37 u. 141f.
88 Evans, Tod ; Hamlin, Health, 8 – 11 ; vgl. Schott, Urbanisierung, 223 – 245.
89 Pfister/Brázdil, Vulnerability ; Mauelshagen, Klimageschichte, 86f.; Krämer, Vulnerabilität ; vgl. als
Über blick : Reith, Umweltgeschichte, 12 – 15 u. 79f.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Titel
- Transformationen städtischer Umwelt
- Untertitel
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Autor
- Georg Stöger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 368
- Schlagwörter
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364