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Jahren, es seien »wohl gegen 20000 Einwohner«.56 Der Berliner Publizist Friedrich
Nicolai, der Linz in einem seiner Reiseberichte ausführlicher beschrieb, behalf sich mit
Überschlagsrechnungen : 3.500 Haushalte zu 5 Personen würden plus Hof und Militär
eine Einwohnerzahl von ca. 20.000 ergeben, eine Schätzung auf der Basis von in der
»Linzer Zeitung« publizierten Todesanzeigen – ein monatlicher Durchschnitt von 48
Anzeigen mal 30 (angenommene Mortalität) – deute auf knapp über 17.000 Einwoh-
ner hin.57 Ähnlich verfuhr vermutlich Heinrich-Georg Hoff in den 1780er Jahren :
Seine Schätzung der Einwohnerzahl (ohne Militär) auf ca. 16.500 entspricht der Zahl
der Häuser – die über die Hausnummerierung damals schon bekannt war – mit dem
Faktor 15 multipliziert.58 Es ist schwer zu beurteilen, wie zutreffend diese Überlegun-
gen waren, für die Zeit vor den 1810er Jahren bleibt man auf derartige Schätzungen
angewiesen. Erst für die zweite Hälfte des 19.
Jahrhunderts sind zuverlässigere Zahlen
greifbar, wenngleich die unterschiedlichen Zählmodi (im Hinblick auf »Fremde« oder
die einbezogenen Stadteile) Vergleiche erschweren (vgl. Tab. 2).59
Rückschlüsse auf die städtische Mortalität lassen sich auf der Basis von Sterbezah-
len, die von einem lokalen Projekt für alle oberösterreichischen Pfarren erhoben wor-
den sind, ziehen.60 Für Linz waren die »Stadtpfarre« und ab der Pfarrreform 1784 die
Pfarren der Unteren Vorstadt »St. Josef« (später »Heilige Familie«) und der Oberen
Vorstadt »St. Matthias« zuständig.61 Auf der Basis dieser Zahlen zeichnet sich fol-
gende längerfristige Entwicklung ab : Im Zeitraum 1700 bis 1900 lag die Mortali tät
mehrheitlich bei 30 bis 40 Todesfällen pro 1.000 Einwohnern, ein generelles Anwach-
sen der Mortalität ist für die Zeit seit der zweiten Hälfte des 18.
Jahrhunderts zu kon-
statieren, wobei es zwischen 1770 und 1790 zu einem leichten Sinken der Morta lität
kam. Es folgte in den 1790er Jahren und den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahr-
hunderts ein erneuter Anstieg, an den sich eine Stagnationsphase zwischen 1820 und
1850 anschloss, danach stieg die Mortalität wiederum an und begann erst ab Mitte der
1870er Jahre zu sinken (vgl. Grafiken
1 u. 2).62 Im Durchschnitt der Jahre 1865 – 1874,
also noch in einer Phase mit relativ hoher Mortalität, lag Linz mit 36,3 Todesfällen je
1.000 Einwohnern63 zwar im österreichischen Vergleich über Wien (31,7) und Inns-
56 Füssel, Tagbuch, 233f.
57 Nicolai, Beschreibung, 522f.
58 Hoff, Skizze, 16.
59 Klein, Ortslexikon.
60 Die Datenbank »Sterbefälle in Oberösterreich« ist als Web-App unter http://www.statistik-ooe.at/ ver-
fügbar, im Folgenden wird sie als »Datenbank Sterbefälle« zitiert. Erich Lang danke ich herzlich für die
Überlassung der Linzer Daten, deren Validität sich im Vergleich mit anderen Quellen zeigt
– vgl. z. B. RB
1898, nach Seite 352 ; Tafeln zur Statistik 7 (1834), Tafel 77 u. Tafeln zur Statistik 16 (1843), Tafel 52.
61 Sandgruber, Grenzen, 72.
62 Vgl. die durchaus vergleichbare Entwicklung in Wien : Weigl, Existenzsicherung, 63f. u. 79 u. Weigl,
Wandel, 162 – 168.
63 Der mittels der Datenbank errechnete Wert liegt mit 44,6 jedoch deutlich höher (eigene Auswertung
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Titel
- Transformationen städtischer Umwelt
- Untertitel
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Autor
- Georg Stöger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 368
- Schlagwörter
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364