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61Regierende
und Regierte |
Zeichen des staatlichen Zugriffs waren die erste »Seelenbeschreibung« und die da-
mit verbundene Hausnummerierung (1770/1771)105 und die Katastralerhebungen des
»Josephinischen Lagebuches« (1786 – 1788), die einerseits als Möglichkeit fungier ten,
alte Steuersysteme zu beseitigen und neue Abgabensysteme zu installieren, anderer-
seits das begrenzte state knowledge über die lokale Topographie und Produktion erwei-
terten.106 Dazu kam, vor allem ab den 1780er Jahren, eine staatliche Ratschlags- und
Reglementierungswelle, die Disziplinierung und Belehrung in Gesetzesform vorsah
und bis in Detailbereiche ging, wie beispielsweise das Verbot, »Luftballons zwischen
Häusern und Gärten« steigen zu lassen (1784), oder die Verordnung zu einem »Mittel
wider den Hundbiß« (1785) illustrieren.107 Man fühle in Linz »überall«, so ein Bericht
über einen Aufenthalt im Jahr 1780, »daß man in einen militärischen Staat gekommen
ist, der strenge auf Subordination hält«.108
Die Ausweitung der staatlichen Macht ging auch zu Lasten der städtischen Auto-
nomie : Deutlich sichtbar wurde dies in der Magistratsreform des Jahres 1784, die nach
dem Vorbild der Wiener Reform die bisherige Stadtregierung entließ und »geprüfte«
Bürgermeister resp. Magistratsräte (sechs, später acht) als Staatsbeamte einsetzte. Dazu
wurden weitere staatliche Verwaltungs- und Exekutivbehörden in der Stadt etabliert.109
Ob damit auch eine Professionalisierung der städtischen Verwaltung verbunden war,110
ist auf der Basis des nicht sehr umfangreichen Forschungsstandes nicht zu beantworten.
Vermutlich erleichterte sich dadurch der Politikprozess, da statt einem Stadtrat mit 30
Bürgern nun nur 6 resp. 8 Beamte und der Bürgermeister entscheiden mussten – somit
war es zumindest in dieser Hinsicht eine »zweckmäßigere Einrichtung«, wie es der
Beamte Benedikt Pillwein in den 1820er Jahren bezeichnete.111 Zwischen 1784 und
1792 stellten Angehörige des Militärs den Bürgermeister, deren Verhältnis zur Landes-
regierung offensichtlich nicht friktionsfrei war. Danach folgten Zivilisten, die ihr Amt
deutlich länger – bis 1848 – ausübten und vermutlich, da sie auch im Landtag aktiv
waren, besser mit der Landesregierung kooperierten als ihre Vorgänger.112
Wenngleich die städtische Bürokratie weiter expandierte, veränderte sich in politi-
scher Hinsicht im Vormärz nur wenig.113 Auch das Jahr 1848 blieb in Linz ohne grö-
ßere Unruhen, wenn man von einzelnen Protesten gegen Lebensmittelteuerungen und
105 LR BVI2, Reg. 1431 (266f.) ; Pillwein, Linz, Bd. 1, 223 ; Pillwein, Wegweiser, 30.
106 Scott, Seeing, 38f.
107 Luca, Landeskunde, Bd. 2, 415 u. ders., Landeskunde, Bd. 3, 20 – 22 ; vgl. Reichert, Pest, 343.
108 Risbeck, Briefe, 183.
109 Mittmannsgruber, Stadtverwaltung, 105 – 107 ; Mayrhofer/Katzinger, Geschichte, Bd. 2, 41 ; Pillwein,
Beschreibung, 147 ; Heinse, Linz, 1. Aufl., 23 – 25 ; vgl. dazu Csendes/Opll, Wien, Bd. 2, 80 – 86 u.
Clark, Cities, 211.
110 Vgl. Clark, Cities, 109.
111 Pillwein, Beschreibung, 147.
112 Mayrhofer/Katzinger, Geschichte, Bd. 2, 41 – 43.
113 Ebd., 86f.; Mittmannsgruber, Stadtverwaltung, 113f.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Titel
- Transformationen städtischer Umwelt
- Untertitel
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Autor
- Georg Stöger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 368
- Schlagwörter
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364