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73Ausweitungen
des Urbanen |
Mit neuen finanziellen und technologischen Möglichkeiten veränderten sich auch die
Ansprüche an die Stadt. Von Landgemeinden erwarte man »ganz anderes« als von
einer Stadt, gab ein Gemeinderat 1872 in der Diskussion um die bevorstehende Stadt-
erweiterung zu bedenken : »Wenn einer [in der Stadt] ein Zinshaus baut, so wird er
[…] eine bessere Straße fordern, er wird eine bessere Beleuchtung fordern, kurz er will
jenes für sich in Anspruch nehmen, was eine Stadt bietet«.200 Auf die sich ändernde
Erwartungshaltung verwies Bürgermeister Carl Wiser in seinem Vorwort zum ersten
gedruckten Band des Rechenschaftsberichts des Linzer Gemeinderats : »Seit einem
Menschenalter ist alles anders geworden, wie in Haus und Hof, in der Produktion und
im Verkehr, so auch in der Gemeinde. An sie stellt der Bürger heute erhöhte Ansprü-
che in Folge der totalen Veränderung der Bedürfnisse, nicht minder der Sitten und
Lebensgewohnheiten der Menschen. […] Ein Gemeinwesen von einiger Bedeutung
vermag sich keineswegs dem Wogendrange der Zeit zu entziehen.«201
Der mediale Diskurs dieser Zeit zeigt einerseits veränderte Ansprüche, andererseits
finden sich ähnliche Monita, die schon im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhun-
dert anzutreffen waren. Zahlreiche Leserbriefe aus den Tageszeitungen der 1860er
Jahre beklagten die Ablagerung »von Mist und mannigfaltigem Unrath«, was nicht
nur als gesundheitsgefährdend, sondern auch als visuelle Beeinträchtigung gesehen
wurde.202 1870 erschien in einer Linzer Tageszeitung eine mehrteilige Serie, in der ein
(realer ?) Besucher seine Überlegungen auf »Wanderungen durch Linz« präsentierte :
Er wolle zwar an eine »Provinzialstadt nicht die Ansprüche einer Weltstadt« stellen,
dennoch aber die Obrigkeit auf »Uebelstände« in der Stadt hinweisen. Als Dysfunk-
tionales identifizierte der Autor – über mehrere Folgen verteilt – die unvollständige
Pflasterung,203 den Geruch, der aus einem Haus am Pfarrplatz »entgegenströmte«,204
die »sehr schwache Beleuchtung« und zu schmale Straßen.205 Ein zum Ende der
1880er Jahre erschienener Stadtführer entwarf wenig überraschend ein positiveres
Gesamtbild : Man könne sich »hochbefriedigt fühlen im Hinblicke auf einen gewiss
noch lange nicht abgeschlossenen Aufschwung, wie selbes [Linz] keinen solchen in
den vielen Jahrhunderten seines Bestehens je erlebte !«206 Überall sehe man »die nie
ermüdende Arbeit des Umgestaltens und des Verschönerns, allerorts die frische Lust
an vorsorglichem und folgenreichem Wirken […] und aus dem Schutte, der für den
Augenblick die zähen Anbeter des ›guten Alten‹ belästigt, steigt fortwährend ›das
bessere Neue‹ empor zu Nutz und Zierde der Stadt«.207 Ähnliches konstatierte der
200 Altmüller, Eingemeindungen, 143.
201 RB 1876 – 1878, IV.
202 Zum Bsp. LTP, 11.8.1866.
203 LTP, 2.2.1870.
204 LTP, 27.2.1870.
205 LTP, 6.2.1870.
206 Linz a./d. Donau, 81.
207 Ebd., 99f.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Titel
- Transformationen städtischer Umwelt
- Untertitel
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Autor
- Georg Stöger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 368
- Schlagwörter
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364