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92 | Wasser
Gegend« zu verbringen, in der »herrliche Luft[,] das Wasser [… und der] Wald« seine
Gesundheit verbessern würden.146 Ein Brief aus dem Frühjahr 1865 zeigt wiederum
ein intensives Nachdenken (und eine empfundene Ungewissheit) über die Qualität
von Wasser. Ein Linzer »Chemiker Apotheker« werde das Lackenhäuser Wasser un-
tersuchen : »Ich hoffe, er wird in dem Wasser gar nichts finden, als nur das Wasser«.
Gleichzeitig fungierte das städtische Wasser als Negativfolie : Als Stifter im Herbst
1864 nach Linz gekommen war, »ekelte es« ihn »vor dem hiesigen Wasser durch Wo-
chen hindurch. Ich konnte es nur mit etwas Wein trinken.«147
Ab dem Herbst 1865 wurde Kirchschlag für Stifter zu einem wiederholten Auf-
enthalts- und Kurort, was einerseits mit persönlichen Verbindungen, andererseits
mit den dortigen naturräumlichen Bedingungen und besonders mit dem Wasser zu-
sammenhing.148 In zahlreichen Briefen dieser Zeit finden sich Lobeshymnen auf das
Kirchschlager Wasser, etwa in einem Brief an seine Frau vom Oktober 1865 : »Es ist
unendlich lieblicher und kräftiger als das bei Rosenberger [in Lackenhäuser], es hat
gar keinen Geschmack nach Süß oder Sauer«.149 Stifters Euphorie gipfelte in der An-
kündigung, Wasser in einem Fass nach Linz zu schicken – was Stifter zumindest im
Herbst/Winter 1865 und im Herbst des Folgejahres tatsächlich mehrfach tat (vgl. un-
ten) : »Trinke keinen anderen Tropfen. Dieses Wasser löst alle übeln Stoffe im Körper
auf, und führt sie fort.«150
Diese Überhöhung des nichtstädtischen (Kirchschlager) Wassers zeigt sich auch
deutlich in den »Winterbriefen aus Kirchschlag«, die im Winter 1865/1866 entstan-
den und im Frühjahr 1866 in der »Linzer Zeitung« veröffentlicht wurden.151 In diesen
Texten findet eine Reflexion über verschiedene Elemente, von Licht, Luft und Wasser
bis hin zu Wärme und Elektrizität statt, neben praktischen Überlegungen (z. B. zu
Vorteilen der Höhenlage im Hinblick auf die herbstlichen und winterlichen Tal nebel)
stehen aber ebenso vage Wortkaskaden zur Schönheit und Gesundheit des Ortes. Stif-
ters Brief zum Wasser greift zahlreiche der bereits genannten Punkte auf, stellt nun
aber einen expliziten Vergleich mit dem städtischen Wasser (in diesem Fall dem Lin-
zer Wasser) her und lässt damit erkennen, dass Stifters Meinung nicht stark von den
Einschätzungen anderer Zeitgenossen abwich : »Was thun wir ? Wir graben in den
meisten Fällen ein Loch in die Erde, und trinken das Wasser, das wir da finden.« Dies
sei in den Bergen »und besonders im Granitboden« zulässig, in tieferen Lagen sei je-
doch »ein solcher Brunnen wenig mehr, als ein Sumpf«. Wenn nun eine Stadt am Fluss
oder »gar wie Linz« an zwei Flüssen gelegen sei, dann trinke man Flusswasser und
dieses habe zwar »durch Seihung der Erde« Schwebstoffe verloren, die gelösten Stoffe
146 Stifter, PRA, Bd. 20, 196f.; vgl. ebd., 217 u. Begemann/Giuriato, Stifter-Handbuch, 174 – 177.
147 Stifter, PRA, Bd. 20, 275.
148 Pfeffer, Kirchschlag, 38 – 49 ; vgl. Stifter, HKG 8/3, 359.
149 Stifter, PRA, Bd. 21, 39.
150 Ebd., 59 ; vgl. ebd., 97 – 99 u. Pfeffer, Kirchschlag, 43.
151 Stifter, HKG, Bd. 8/3, 199 – 228 ; vgl. ebd., 105.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Titel
- Transformationen städtischer Umwelt
- Untertitel
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Autor
- Georg Stöger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 368
- Schlagwörter
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364