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96 | Wasser
die Finanzierung eines derartigen Projekts nicht mehr unmöglich : Einerseits konn-
ten Großkredite aufgenommen werden – hier war wiederum Wien das Vorbild, das
1866 eine Anleihe über 25 Millionen Gulden aufgenommen hatte168 –, andererseits
konnten, wie andere Städte gezeigt hatten, Wasserleitungen durch Privatunternehmen
errichtet und betrieben werden. Auch die politischen Faktoren waren günstig : Die
Gemeindeautonomie der 1860er Jahre hatte derartige Projekte angestoßen, die zuneh-
mend als Positionierungsmöglichkeit gesehen wurden und dadurch Städte genauso
unter Zugzwang brachte (vgl. Kap. 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900).169 Linz nehme
»betreff seiner Sterblichkeit keinen günstigen Platz« ein, gab der Jurist Alois Bahr –
der Vater des Schriftstellers Hermann Bahr – 1868 im Gemeinderat zu bedenken.170
Schließlich ermöglichten erst die industriell gefertigten Eisenrohre, die massenhaft
verfügbar und – verglichen mit Bleirohren – relativ günstig waren und einem höheren
Druck standhielten, eine zentrale Wasserinfrastruktur.171
Dass es ab 1868 im Linzer Gemeinderat zu einer intensiveren Auseinandersetzung
mit der Wasserfrage kam, ist als Nebenprodukt der Diskussionen um die Fäkalien-
und Abwasserentsorgung zu sehen (vgl. Kap.
5. Zirkulationen und Output). Im Jänner
1868 präsentierte das mit dieser Agenda betraute Komitee seinen Bericht : Man sei
davon überzeugt, dass eine weitreichende »Verunreinigung des Brunnenwassers durch
Einsikerung faulender Substanzen aus den Senkgruben oder Kanälen« erfolge. In
Graz habe beim Auftreten der Cholera »verdorbenes Wasser sich rein und geruchlos«
gezeigt, welches »den Hausbewohnern[,] die auf dessen Genuß angewiesen waren[,]
so vollkommen gut und schmakhaft erschien, daß selbe die erwähnten Krankheiten
eher allem Anderen, als ihrem Trinkwasser zuschreiben zu sollen glaubten«.172 Da-
raufhin beauftragte man die Realschule – und damit erneut Edmund Schreinzer –
mit »einer wissenschaftlichen Prüfung« des Linzer Wassers,173 deren Ergebnisse im
März 1868 auch in einer Linzer Tageszeitung veröffentlicht wurden und damit eine
breitere Öffentlichkeit erreichten. Auf der ersten Seite der Zeitung fanden sich Ur-
teile über die Wasserqualität von 36 öffentlichen und privaten Brunnen, zudem von
Donauwasser, wobei »mit dem relativ besten begonnen und mit dem schlechtesten
geschlossen« wurde. In der Untersuchung, die auf einen Nachweis von »gelösten or-
ganischen Substanzen« (statt der Wasserhärte – vgl. oben) abgezielt hatte, habe sich
gezeigt, »daß die meisten dieser Trinkwässer mehr organische Stoffe enthalten als mit
der Gesundheit der Trinkenden verträglich ist«.174 Im Mai 1868 bestand im Gemein-
derat Konsens darüber, dass durch das Fehlen eines umfangreichen Kanalsystems »der
168 Kucera, Ausgaben, 49f.
169 Vgl. Dagenais, Source, 105f.
170 GRP 1868, fol. 136a.
171 Vgl. Suter, Wasser, 36f.
172 GRP 1868, fol. 10a ; vgl. Linner, Salubritäts-Verhältnisse.
173 GRP 1868, fol. 11b.
174 LAB, 10.3.1868.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Titel
- Transformationen städtischer Umwelt
- Untertitel
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Autor
- Georg Stöger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 368
- Schlagwörter
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364