Seite - 139 - in Transformationen städtischer Umwelt - Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
Bild der Seite - 139 -
Text der Seite - 139 -
139Dritter
bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland |
Jahr zu versorgen (vgl. oben).204 Auch in der Versorgungskrise der 1770er Jahre wurde
Getreide in großen Mengen aus Ungarn importiert (vgl. Kap.
10. Versorgungskrise).205
Aber nicht nur in Krisenzeiten bezog man große Mengen an Lebensmitteln aus
entfernteren Gebieten : Einem Linzbesucher fiel zu Beginn des 19. Jahrhunderts die
»Menge kleiner Kähne« mit »Holz, Kohlen, Getraide, und vorzüglich Gemüse aus dem
Innviertl« auf,206 das »Josephinische Lagebuch« betonte für die Gemeinde Urfahr, dass
die Lebensmittelproduktion vor Ort »nicht hinlänglich« sei – »das Abgängige wird
auf der Donau heraufgebracht«.207 Beim Getreide scheint der überregionale Bezug –
vor allem der Transport über Wasser – in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts an
Bedeutung gewonnen zu haben.208 Größere Lieferungen auf der Donau wurden im 18.
und frühen 19.
Jahrhundert direkt über die Schiffmeister abgewickelt, die nicht nur als
Transporteure, sondern offenbar auch als Händler tätig waren. 1804 nahm die Linzer
Faktorei der Innerberger Gewerkschaft mit einem Linzer Schiffmeister Kontakt auf,
um Getreide anzukaufen : Dieser bot 3.000 Metzen (also rund 130 Tonnen) ungari-
schen Roggen an, die schon donauaufwärts unterwegs waren, weitere 6.000 Metzen
könnten nachgeliefert werden.209 Bereits für das 17.
Jahrhundert sind große Schiffzüge
belegbar, die vermutlich bis zu 130 Tonnen transportieren konnten, dazu kam eine
Vielzahl an kleineren Schiffen.210 Die Transportkapazitäten der Linzer und Urfahrer
Schiffmeister in der Stadt (offenbar fünf Gewerbe im ausgehenden 18. Jahrhundert)
waren jedenfalls beachtlich : In den 1780er Jahren brachte ein Schiffmeister angeblich
jährlich 40.000
Zentner Kupfer und »einige« 1.000
Zentner Eisenwaren
– also zumin-
dest 2.300 Tonnen – donauaufwärts.211
Auch der städtische Fleischkonsum basierte wahrscheinlich größtenteils auf über-
regionalen Importen. Um 1750 lag die Fleischproduktion in Oberösterreich unter
30 Kilogramm pro Kopf und Jahr, 1850 bei 40 Kilogramm und 1875 (wie auch 1910)
bei 49 Kilogramm, was deutlich unter dem Pro-Kopf-Verbrauch lag (vgl. Tab. 17).212
Noch zur Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in Oberösterreich keine ausgeprägte
Schweinehaltung ; man bezog »Läuferschweine«, vielfach aus Ungarn und Serbien.213
Das Rindfleisch kam vermutlich ebenso überwiegend aus Ungarn : Dafür lag Linz
204 Wenn man Mut zu 30
Metzen rechnet und 23 – 35
Kilogramm pro Metzen annimmt
– vgl. Kap. Wäh-
rungen und Maßeinheiten.
205 Vgl. Kumpfmüller, Hungersnot, 107 – 120 u. Neweklowsky, Getreidetransport, 344 – 347.
206 Mader, Reise, 24.
207 Bohdanowicz, Urfahr, 18 ; eine Marktordnung aus dem Jahr 1819 erwähnt »Schiffe mit Gemüse,
Grünzeig und Obst« an der Oberen Donaulände (OÖLA, Musealarchiv, Sch. 4/No. 21).
208 Albrecht, Need, 8 – 12.
209 LR CIIB, Reg. 1988 (522).
210 Donau in Oberösterreich, 30f.; Neweklowsky, Donauschiffahrt, 182f.; Pillich, Donaureise, 502f.
211 Hoff, Skizze, 93.
212 Sandgruber, Lebensstandard, 279.
213 Hoffmann, Bauernland, 376.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Titel
- Transformationen städtischer Umwelt
- Untertitel
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Autor
- Georg Stöger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 368
- Schlagwörter
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364