Seite - 158 - in Transformationen städtischer Umwelt - Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
Bild der Seite - 158 -
Text der Seite - 158 -
158 | Zirkulationen und Output
die Papiermühle in Steg, die damals ein vergleichsweise kleiner Betrieb ohne Maschi-
nenausstattung war, aus jährlich 20 Tonnen Papierabfällen und 10 Tonnen Lumpen
Karton und Packpapier her.112
Die Anzahl der Gewerbeberechtigungen deutet für das Wiederverwenden und Wie-
derverwerten in manchen Bereichen auf einen Bedeutungsverlust (Lumpen- und Kno-
chenhändler, Pfannenflicker), in anderen Bereichen (Tandler/Trödler) auf eine Persis-
tenz hin (vgl. Tab.
24). Für 1875 lassen sich in Linz 17 Gebrauchtwarenhändler/innen
feststellen, denen 80 Schneidermeister gegenüberstanden. Während die Schneider pro
Kopf 6
fl jährliche Erwerbssteuer entrichteten, bezahlten die Gebrauchtwarenhändler/
innen immerhin etwas über 7 fl.113 Nachdem 1849 Aufenthaltsbeschränkungen für
Juden und Jüdinnen aufgehoben worden waren, finden sich für die Folgezeit Hinweise
auf »Trödlerjuden«, die in Linz als Hausierer tätig waren oder Altkleidung aufkauften.
Im 1866 durch den Linzer Bethausvorstand angelegten »Verzeichnis der im Polizei-
Bezirke Linz wohnhaften lsraeliten« scheinen zwar 20 Hausierer und eine Vielzahl
von Händler/innen, aber nur ein Tandler auf.114 Regelmäßig wurden Tandler/innen in
den Linzer Tageszeitungen erwähnt, wobei Transfers und Handelsformen auftauchen,
die bereits über Jahrhunderte praktiziert wurden : In den 1860er Jahren z. B. stahlen
zwei Handwerksgesellen einen Rock aus den vor einem Tandlerladen »hängenden Ef-
fekten« und »vertauschten« diesen bei einem anderen Tandler »gegen mehrere andere
Kleidungsstücke«,115 eine Dienstbotin wurde verhaftet, als sie versuchte, die in einem
Gasthaus gestohlene Bettwäsche einem Tandler zu verkaufen,116 und in Urfahr über-
gab ein Tandler zwei bayerische Deserteure, die Zivilkleidung ankaufen wollten, den
Behörden.117 Als im Verlauf des 19. Jahrhunderts die Bedeutung des Gebrauchtwa-
renhandels für den alltäglichen Konsum abnahm, wandten sich Händler/innen dem
Neuwarenhandel zu oder spezialisierten sich in Nischen wie etwa dem Antiquitäten-
handel.118 Das Beispiel Adalbert Stifters illustriert diesen Wandel : Schon Anfang der
1840er Jahre hatte Stifter den Wiener Tandelmarkt als vormodernes Relikt beschrie-
ben, als einen »poetische[n] Clubb aller alten, verschollenen und verblichenen Dinge«,
der bald verschwinden werde.119 Er »gehöre zu den fleißigen Besuchern des Tandel-
marktes« und »ging oft mit einem unschätzbaren, erhandelten Preisstücke von dannen,
welches die Meinen zu Hause in die größte Verlegenheit brachte, was damit anzu-
112 Statistischer Bericht 1882, Bd. 2, 219.
113 Statistischer Bericht 1876, 196 u. 614.
114 Marckhgott, Mitbürger, 286f. u. 293 – 295.
115 LTP, 21.5.1869.
116 LTP, 5.1.1867.
117 LTP, 15.11.1866 ; vgl. zu den korrespondierenden Beispielen aus dem vormodernen Gebrauchtwaren-
handel : Stöger, Märkte, 142 – 153, 183 u. 243.
118 Vgl. Charpy, Scope, 146f.
119 Stifter, HKG, Bd. 8/3, 103.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Titel
- Transformationen städtischer Umwelt
- Untertitel
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Autor
- Georg Stöger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 368
- Schlagwörter
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364