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der Senkgrube zur Kanalisation |
betroffenen Hausbesitzern einhob, bildeten nur einen relativ kleinen Zuschuss zur
Finanzierung der Kanalbauten.201 Zentral erscheint die Verbindung der Kanalbauten
mit einer allgemeinen visuellen Neuordnung des Stadtbildes in dieser Zeit, die auf
allgemeine Sauberkeitsbestrebungen und eine bauliche »Regulierung« von Straßen
und Plätzen abzielte, was vor allem Pflasterungen aber auch die Errichtung von Was-
serrinnen und Kanälen betraf.202
Die Veränderungen, die sich infolgedessen bei der Fäkal- und Abwasserentsorgung
ergaben, werden in den Stadtkammerrechnungen evident : Wurden in den 1820er Jah-
ren noch Ausgaben für Senkgrubenräumungen verzeichnet, so verschwanden diese
weitgehend bis in die 1840er Jahre.203 Zwar lagen die meisten von der Stadt unterhal-
tenen Gebäude relativ zentral ; vielleicht zeigt sich hier aber auch die Ambition, vor
allem diese Gebäude zuerst an die Kanäle anzubinden. Den Erweiterungen der 1820er
und 1830er Jahre folgte ein sukzessiver, jedoch deutlich kleinerer Teilausbau,204 im
Jahrzehnt vor der Errichtung der zentralen Kanalisation wurde die Zahl der Senkgru-
ben im Stadtgebiet – bei einer Häuserzahl von rund 1.400 – 1.500 – mit 850 (1869)
resp. 682 (1873) angegeben.205 Somit behielt die Senkgrube ihre zentrale Rolle im
Abwassersystem der Stadt und führte, wie Baupläne dokumentieren, teilweise eine
Koexistenz mit den Kanälen : Das Lazarett im Wörth206 verfügte in den 1840er Jahren
für einen Abort über eine Senkgrube, ein anderer war an einen »Canal«, der wohl in
die nahe Ludl führte, angeschlossen (vgl. Abb. 16).207
Der Grazer Ingenieur Rudolf Linner, der 1868 im Auftrag des Gemeinderats ein
Gutachten erstellte (vgl. unten), beschrieb die Situation vor der Errichtung des zen-
tralen Kanalisationssystems. Zwar kann Linner nicht als neutraler Beobachter gelten,
aber dessen Berichte ermöglichen einen Einblick in die damals in Linz bestehenden
Abwasserlösungen : Neben Kanälen waren die Senkgruben omnipräsent, deren Sei-
tenwände und Sohlen Linner als »ganz und gar durchlässig« einschätzte, dazu kamen
zahlreiche Sickergruben (»Versitzgruben«) für Regen- und Brauchwasser, die teilweise
mit den Überläufen der Senkgruben verbunden waren.208 Am Schullerberg fielen Lin-
ner
– er besuchte Linz im Frühjahr 1868209
– mehrere Sammelgruben für tierische Jau-
201 1850 wurden z. B. in der Pumpenmachergasse von den Hausbesitzern zwischen 2 und 20
fl (im Durch-
schnitt 10 fl) eingehoben – AStL, HS 191 (Oberkammeramt Empfang 1850), pag. 132.
202 LZ/IB, 15.9.1826 ; LZ/AB, 17.9.1827 ; OÖLA, Karten- und Plänesammlung, VI/64.
203 Vgl. z. B. AStL, HS 439 (Unterkammeramtsrechnung 1824), pag. 21 – 35 u. AStL, HS 462 (Unterka-
meramts Contobuch pro 1848), pag. 21 – 70.
204 Vgl. z. B. LAB, 15.2.1865 u. GRP 1867, fol. 214a, 214b, 251b, 252a u. 302a.
205 GRP 1869, fol. 317a ; Pichler-Baumgartner, Wege, 36.
206 Früher Pestlazarett, zum damaligen Zeitpunkt Gebär- und Findelanstalt, heute Lederergasse 33
(Konskr.-No. 366) – Kreczi, Häuserchronik, 193.
207 Vgl. auch OÖLA, Karten- und Plänesammlung, VII/18.
208 Linner, Salubritäts-Verhältnisse, 12 – 14 u. 20 ; vgl. z. B. AStL, Altakten, Sch. 83.
209 LAB, 16.3.1868.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Titel
- Transformationen städtischer Umwelt
- Untertitel
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Autor
- Georg Stöger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 368
- Schlagwörter
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364