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206 | Geordnete und modifizierte Umwelt
zahlreich sind die Hinweise auf das Waschen der Wäsche8 oder das Auswechseln von
gebrauchtem Material wie z. B. von »Bettstroh«.9 Auch die Reaktionen auf Nicht-
alltägliches, etwa die massenhafte Einquartierung von Soldaten bzw. Verwundeten,
lassen Sauberkeits- und Hygienevorstellungen erkennen. Nach dem Erbfolgekrieg
1742 meldete der Hausmeister des Kremsmünsterer Freihauses Renovierungsbedarf :
Da »gefährliche« kranke Soldaten im Haus untergebracht worden seien, müsse man
möglicherweise die Fußböden tauschen, zumindest aber die Böden mit Essig reinigen
und den »völlig« ruinierten Pferdestall neu ausmalen.10 Sauberkeit wurde nicht nur
visuell bestimmt, sondern ebenso über Gerüche. Während des Erbfolgekrieges waren
auch im Linzer Schloss Soldaten einquartiert gewesen, die, wie ein ständischer Beam-
ter später konstatierte, »starke[n] Geruch« hinterlassen hätten. Da der Geruch trotz
umfangreicher Reinigungs- und Ausbesserungsarbeiten nicht verschwand, sah man
schließlich davon ab, die durchreisende Kaiserin in diesen Räumlichkeiten unterzu-
bringen.11 Schlechter Geruch wurde nicht nur als störend, sondern
– infolge des Glau-
bens an krankheitsübertragenden Gestank (Miasmen) – genauso als gefährlich wahr-
genommen. Somit zielte die Vermeidung von Schmutz auch auf die Vermeidung von
schlechten Gerüchen ab.12 Die Einschätzung von gesunden resp. ungesunden Settings
war subjektiv und konnte somit grundlegend divergieren : 1715 lehnte der zustän-
dige Militärkommandant die Errichtung eines Soldatenlagers auf der Linzer Donau-
insel ab, weil der von den Überschwemmungen abgelagerte, stinkende Schlamm die
Verbreitung von Krankheiten begünstige.13 Ein kaiserliches Mandat vom Mai 1738
ordnete hingegen die Verlegung von kranken Rekruten ins Insellager an, da dort die
frische Luft »gesünder« sei.14
Vermutlich ist das Ausräuchern von Zimmern ebenso im Kontext des Geruches zu
sehen : Regelmäßig bezahlten die Landstände für »Rauchwerk«, das zum »Räuchern
im Landhaus« und in den ständischen Wohnungen verwendet wurde. Dass es sich
nicht nur um eine religiöse Praxis handelte (vielfach tauchen Kaplane und Mesner in
den Rechnungen rund um Weihnachten und Neujahr auf), zeigen die wiederholten
Zahlungen an Apotheker und die Erwähnung von »Pestrauchwerk« im Jahr 1714.15
8 Vgl. z. B.: LR BIIA7, Reg. 8892 (19) ; LR BIIG8, Reg. 5798 (199) ; LR E1b, Reg. 1791 (98) ; LR CIIIH4,
801 – 808 ; OÖLA, Herrschaftsarchiv Weinberg, Sch. 643 u. Sch. 661.
9 LR E1f, Reg. 375 (147 – 149) ; LR BIIA40, Reg. 19694 (108f.).
10 LR BVI2, Reg. 1246 (187).
11 LR BIIG6, Reg. 3025 (7) ; ebd., Reg. 3026 (7).
12 Schott, Urbanisierung, 246 ; vgl. zur Miasmentheorie : Kiple, Disease, 14 u. 18f.; Leven, Ratten, 18 – 22 ;
Reith, Umweltgeschichte, 95 – 103 ; Briese, Angst, Bd. 1, 143 – 154.
13 LR BIIA40, Reg. 19711 (116f.).
14 Ebd., Reg. 19571 (35).
15 Vgl. z. B. LR BIIA3, Reg. 3640 (125) ; ebd., Reg. 3667 (129) ; ebd., Reg. 4232 (214) ; LR BIIA4, Reg.
4806 (70) ; ebd., Reg. 5411 (183) ; LR BIIA6, Reg. 7769 (85) ; vgl. dazu Reith, Umweltgeschichte, 21 u.
Kellner, Pesthauch, 129.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Titel
- Transformationen städtischer Umwelt
- Untertitel
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Autor
- Georg Stöger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 368
- Schlagwörter
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364