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Sauberkeit |
Mit den Diskussionen um die Assanierung der Städte, die ab den 1840er Jahren von
England ausgingen und wenig später auch den deutschsprachigen Raum erreichten,
wurde das Beseitigen von Unsauberkeit und schlechten Gerüchen zu einer prioritären
städtischen Agenda.68 Dies spiegelt sich in der Gemeindeordnung von 1850 wider, die
die »Reinlichkeitspolizei«, also die Überwachung der Sauberkeit, explizit als Aufgabe
der Stadt sah : Diese »sorgt für Pflasterung und Erhaltung der Strassen, Gassen und
Wege«.69 Bereits im Herbst 1848 war – im Gefolge der Revolution – eine eigene städ-
tische »Sicherheitswache« durch den Gemeindeausschuss etabliert worden, die auch
die Aufrechterhaltung der Sauberkeit im Stadtraum überwachen sollte. In zwei Jah-
ren
– zwischen September 1848 und August 1850
– kam es zu insgesamt 752 Meldun-
gen und 808 Verhaftungen, darunter waren 99 Meldungen wegen »Vergehen gegen
die Straßenreinigungsordnung« und 18 wegen »schlechten Aufspritzens«.70 Dieses
Überwachen und Sanktionieren ergänzte die städtischen Dienstleistungen und zeigt
auch die geringere Toleranz der Mittelschichten und Eliten gegenüber Unsauber keit
und Gestank.71
Bestehende Negativwahrnehmungen von Unsauberkeit und schlechten Gerüchen
verstärkte die Cholera, die ab den 1830er Jahren die westeuropäischen Städte erreichte.
In Linz war die Cholera in den 1830er und 1840er Jahren noch nicht epidemisch aufge-
treten, dies geschah erst zur Mitte der 1850er und 1860er Jahre. Bei diesen späteren Aus-
brüchen wurde ein immer stärkerer Zusammenhang zwischen Unsauberkeit, schlechten
Gerüchen und der Cholera gesehen (vgl. Kap. 5. Zirkulationen und Output).72 Dazu
kam in dieser Zeit die Überhöhung der sauberen und frischen Luft : Hier gewährt Adal-
bert Stifter Einblicke in bürgerliche Wahrnehmungen der 1850er und 1860er Jahre.
Stifter sah – wohl auch von seinen Ärzten angeregt – saubere, am besten nichtstädti-
sche Luft und deren »Konsum« als gesundheitsfördernd an.73 Bereits im Sommer 1855
schwärmte Stifter bei seinem Aufenthalt in Lackenhäuser nahe der oberösterreichischen
Grenze von »unaussprechlich herrlicher Waldluft«,74 auch für seine Kirchschlagbesuche
in den 1860er Jahren bildete die Luft neben dem Wasser (vgl. Kap. 3. Wasser) ein zent-
rales Motiv.75 In den »Winterbriefen«, die 1865/1866 in Kirchschlag entstanden, thema-
tisierte Stifter ebenso ausführlich die Luft, wobei Stifter in seiner Darstellung deutlich
vom Diskurs über die Heilwirkung der Luft in den Schweizer Alpen beeinflusst war.76
Tagtäglich atme man
– in den Städten
– »viele tausend Quentchen stinkender […] oder
68 Lees/Hollen Lees, Cities, 61 u. 119 – 123 ; Melosi, America, 222 ; EdN, s.v. Assanierung.
69 Gemeindeordnung 1850, LGBl. 261/1850, 274.
70 Mittmannsgruber, Stadtverwaltung, 131 – 133.
71 Lees/Hollen Lees, Cities, 60.
72 ÖB, 5.1.1855.
73 Vgl. Stifters sämtliche Werke, Bd. 25, 335.
74 Stifter, PRA, Bd. 18, 266.
75 Stifters sämtliche Werke, Bd. 25, 339.
76 Stifter, PRA, Bd. 21, 56f.; in den Briefen Stifters wird das 1862 erschienene Buch »Die Schweizer
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Titel
- Transformationen städtischer Umwelt
- Untertitel
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Autor
- Georg Stöger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 368
- Schlagwörter
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364