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238 | Natur der Städter – Natur für Städter
turpflanzentransfer« nochmals an Bedeutung gewannen.54 Dass im Jahr 1777 an der
Peripherie von Linz ein »ökonomisch-botanischer Garten« etabliert wurde,55 stand
deutlich im Kontext der Wiener Botanischen Gärten, die zur Mitte des 18. Jahrhun-
derts angelegt worden waren.56 Gründer des Linzer Gartens war der Geistliche (und
ehemalige Jesuit) Ignaz Schiffermüller, der 1777 Direktor des Nordischen Stiftes
(»Collegium Nordicum«) – eines elitären religiösen Internats – wurde. Schiffermüller
war bereits in Wien an einer ähnlichen Institution, dem jesuitischen »Collegium The-
resianum«, als Lehrer tätig gewesen.57 Der neue Botanische Garten wurde beim Berg-
schlössl am Froschberg angelegt, das damals schon über eine barocke Gartenanlage
und landwirtschaftlich genutzte Flächen verfügte. Ursprünglich war das Bergschlössl
eine villa suburbana mit Garten gewesen, die später als ständische Sommerwohnung
fungierte und in den frühen 1770er Jahren vielleicht auch für Anbauversuche der
ständischen »Agricultur-Societät« genutzt wurde.58 1773 pachtete das Collegium den
Besitz und erwarb ihn einige Jahre später. Als Schiffermüller 1777 dort einen Botani-
schen Garten anlegen ließ, bestand nur im mehrere Kilometer entfernten (und jenseits
der Donau gelegenen) Schloss Auhof ein kleiner Botanischer Garten, der im Besitz
der Adelsfamilie Starhemberg war.59
Der »ökonomisch-botanische Garten« Schiffermüllers knüpfte nicht nur mit sei-
nem Namen an den Garten des Wiener Theresianums an, er zielte ebenso auf den
praktischen Unterricht für die Zöglinge des Internats ab : Der Garten war nach dem
jeweiligen Nutzen der Pflanzen resp. nach deren Zusammengehörigkeit (in Anleh-
nung an den schwedischen Botaniker Carl v. Linné) aufgebaut, gleichzeitig ging es
aber auch darum, einen ästhetisch ansprechenden und romantischen Naturraum zur
Freizeitgestaltung zu schaffen.60 Er habe die vorgefundene »Wildnis« des Bergschlössl-
Grundes, erinnerte sich Schiffermüller in seiner zu Beginn des 19. Jahrhunderts ent-
standenen »Lebensbeschreibung«,61 zu einem »Garten zu[r] manigfältigen Unter-
haltung der Stiftsjugend« umgestalten lassen, eine Allee »zu einem Spaziergang […]
nach der schönsten Aussicht« angelegt, die »beiderseits mit abwechselnden, in- und
ausländischen Bäumen und Gestreicharten nach ihren Verwandtschaften« bepflanzt
54 Klemun, Garten ; Sommer/Müller-Wille/Reinhardt, Handbuch, 236 – 241.
55 Promitzer/Speta, Naturgeschichte, 47.
56 Klemun, Exotik, 305 – 308.
57 Promitzer/Speta, Naturgeschichte, 47, 51f. u. 64.
58 Zumindest wurde dies im Jahr 1773 überlegt
– LR BIIA38, Reg. 19319 (88) ; vgl. zu den landwirtschaft-
lichen Flächen und deren Nutzung : Awecker, Bergschlößl, 196f. u. 206f.; auch Kap. 4. Energie und
Biomasse.
59 Awecker, Bergschlößl, 197 – 200 ; Promitzer/Speta, Naturgeschichte, 51 ; vgl. Heinse, Linz, 1. Aufl., 106f.
u. LZ/IB, 25.3.1822.
60 Promitzer/Speta, Naturgeschichte, 52 u. 55f.
61 Die »Jahre in Linz« sind ediert (Promitzer/Speta, Naturgeschichte, 62 – 66), das Original befindet sich
im OÖLA (OÖLA, Musealarchiv, HS 197).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Titel
- Transformationen städtischer Umwelt
- Untertitel
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Autor
- Georg Stöger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 368
- Schlagwörter
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364