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239Irrationale
und rationale Natur, untersuchte und gesammelte Natur |
wurde, wobei man die Gewächse mit »angehefteten sistematischen lateinischen, deut-
schen und französischen Namen« versah. Dazu kam 1784 ein Beet »mit den verschie-
denen klassifizirten Pflanzen […], die den Menschen mit Saamen oder Blätter oder
mit Wurzel zur Nahrung oder als Gewürz oder als Stoff zur Bekleidung oder Stoff-
farben, zu den Speisen dienen«. Im Bergschlössl selbst gab es eine Sammlung ausge-
stopfter heimischer Vögel »zur Ergötzung des Auges […] in einer ihnen bekannten
Eigenschaften anpassenden Bewegung«, im Garten befanden sich steinerne Becken
mit heimischen Fischen62 und im Gartenhaus waren Decke und Wände »mit Gegen-
ständen der Naturgeschichte ganz nach der Natur bemalet«, dass man sich, so ein Be-
sucher in den 1780er Jahren, »auf einmal nach beyden Indien versetzet« fühle.63 Schif-
fermüller verfügte über zahlreiche lokale und überregionale Vernetzungen : Er war ein
ehemaliger Schulkollege des Lyzeumprofessors Franz Xaver Racher (vgl. unten) und
des Landeshauptmannes Christoph Wilhelm Thürheim, auch zahlreiche naturwissen-
schaftlich interessierte Reisende besichtigten den Garten und die umfangreiche Insek-
tensammlung Schiffermüllers,64 wie z. B. der Berliner Verleger und Publizist Friedrich
Nicolai65 oder der bayerische Botaniker Franz de Paula Schrank, der sogar mehrere
Wochen in Linz blieb.66 Dennoch wurde der Botanische Garten – im Gefolge der
Auflösung des Nordischen Stifts – bereits 1788 aufgelassen ;67 das Bergschlössl und
die dazugehörigen Gründe wurden versteigert, wobei ein Teil der landwirtschaftlich
genutzten Flächen parzelliert und bebaut wurde.68
Einzelne Hinweise auf das Sammeln von – und somit die intensivere Beschäfti-
gung mit – Naturobjekten und naturwissenschaftlichen Geräten gibt es für die erste
Hälfte des 18.
Jahrhunderts ;69 für die Zeit danach mehren sich diese jedoch deutlich.70
Wesentliche Impulse gingen von den Jesuiten aus, die seit dem ausgehenden 17. Jahr-
hundert gemeinsam mit den Ständen eine höhere Schule (»Lyzeum«) betrieben.71 Das
Jesuitenkolleg besaß bereits zu Beginn des 18.
Jahrhunderts physikalische Instrumente,
deren Anzahl seit der Mitte des Jahrhunderts deutlich zunahm. Augenscheinlich hing
das mit Joseph Walcher zusammen, der am Lyzeum als Lehrer tätig war und später
in Wien als Wasserbauer bekannt wurde.72 Vermutlich war auch das »physikalisch-
62 Promitzer/Speta, Naturgeschichte, 64.
63 Schrank/Moll, Briefe, 5 ; vgl. ebd., 7 – 18.
64 Promitzer/Speta, Naturgeschichte, 54 – 58.
65 Nicolai, Beschreibung, 514.
66 Schrank/Moll, Briefe, 1 – 18.
67 In Wien war dies mit dem »Collegium« und dessen Garten 1784 passiert – Klemun, Exotik, 328.
68 Awecker, Bergschlößl, 204f.; Promitzer/Speta, Naturgeschichte, 59f. u. 66 ; vgl. LZ/IB, 10.5.1830.
69 LR BIIA30, Reg. 18478 (106 – 113) ; LR E7a u. b, Reg. 33 (11).
70 Vgl. dazu allgemein : Sommer/Müller-Wille/Reinhardt, Handbuch, 235f. u. Hochadel, Wissenschaft,
300f.
71 Stauber, Ephemeriden, 48 ; Kunstdenkmäler, Bd. 1, 115 u. 119.
72 Kunstdenkmäler, Bd. 1, 117 ; LR CIIIC3, Reg. 728 (310) ; Pillwein, Linz, Bd. 1, 32.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Titel
- Transformationen städtischer Umwelt
- Untertitel
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Autor
- Georg Stöger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 368
- Schlagwörter
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364