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speicher gab, der als Puffer fungieren konnte. Es waren zwar große Getreidemen-
gen im städtischen Brauhaus vorhanden (im Jahr 1726 12.000 Metzen Gerste),19 die,
wenngleich es sich um vermalzte Gerste handelte, prinzipiell als Nahrungsmittel oder
als Zusatz für Brot genutzt werden konnte – für eine derartige Verwendung gibt es
jedoch keine Belege. Dass es nur in wenigen Städten öffentliche Getreidespeicher gab,
hatte vor allem finanzielle Gründe. In Tirol, das von Getreideimporten aus Bayern
abhängig war, erwog die Hofkammer während der 1760er Jahre wiederholt die Errich-
tung eines Getreidespeichers, was aber aufgrund der Kosten verworfen wurde. Ohne-
hin funktionierte die Getreideversorgung in normalen Jahren problemlos.20 In Wien
bestand ab den 1720er Jahren ein Getreidemagazin, das als Puffer bei Verknappungen
und Preissteigerungen fungieren sollte. Dies war ein staatliches Projekt, das defizitär
war, aber offenbar die Krise der 1770er Jahre etwas abmilderte. Auch in Wien zeigten
sich die Probleme der Lagerhaltung : Die Kosten waren hoch, der Nutzen war bei
normalen Ernten nicht gegeben, zudem war das eingelagerte Getreide gegenüber der
frischen Ernte meist im Nachteil (im Hinblick auf Preis und Qualität).21 Eine weitere
Maßnahme stellten obrigkeitlich festgelegte regionale Höchstpreise dar, die stabilisie-
rend wirken sollten,22 aber zunehmend
– wie die Ausfuhrsperren
– als kontraproduktiv
eingestuft wurden.23 Für Oberösterreich ist eine Preisfestsetzung für Getreide jedoch
erst für den Mai 1771 belegt.24
Obrigkeitliche Kernstrategie war das massenhafte Aufkaufen von Getreide in
Überschussgebieten.25 Dies verursachte eine erhebliche Konkurrenz um Getreide und
wirkte preistreibend. Klar im Vorteil waren Territorien, die im Hinblick auf den Trans-
port günstig lagen oder über den Binnenmarkt – im Falle der habsburgischen Länder
aus Ungarn – versorgt werden konnten.26 Auch in Oberösterreich setzte man – wie
in Wien – auf Getreideankäufe in Ungarn, was die Stände »wegen ausserordentlich
sich hierlands geäusserten Misswachs deren Körnern« schon 1770 gemacht hatten.27
Im Folgejahr warteten die Stände offenbar noch ab, erst im Frühjahr schloss man
mit einem Weinhändler aus Mauthausen einen Liefervertrag über 30.000 Metzen
ungarisches Getreide ab, wobei diese Lieferung für ganz Oberösterreich vorgesehen
nerability, 126.
19 LR BIIG4, Reg. 2397 (125 – 133).
20 Kumpfmüller, Hungersnot, 91f.
21 Ebd., 51 – 53 ; vgl. zu den Getreidespeichern und zu deren Problemen in der Praxis : Collet, Katastrophe,
169 – 182.
22 Weber, Kurmainz, 96.
23 Kumpfmüller, Hungersnot, 22 u. 45f.
24 Luca, Landeskunde, Bd. 2, 39.
25 Vgl. Abel, Massenarmut, 216 – 226 u. Collet, Katastrophe, 182 – 189.
26 Kumpfmüller, Hungersnot, 30f. u. 42 – 46 ; Abel, Massenarmut, 232f.; vgl. für Wien : Brunner/Schneider,
Umwelt, 305f.
27 OÖLA, Landschaftsakten, Sch. 931, G.XXIII.2/No. 59 ; vgl. Kumpfmüller, Hungersnot, 54 – 60.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Titel
- Transformationen städtischer Umwelt
- Untertitel
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Autor
- Georg Stöger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 368
- Schlagwörter
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364