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314 | Naturgefahr
Ereignis aus der Ferne bestaunende, »grosse Menschenmenge«. Trotzdem das Feuer
das Landhaus schon fast erreicht hatte, führte der Beamte die Kinder in das Gebäude,
»wahrscheinlich[,] um etwas von seinen Sachen zu retten«. Von dort sahen die Kinder,
wie in einem brennenden Nebengebäude an der Nordwestseite des Landhauses der
dort wohnende ständische Diener ums Leben kam. Aber erst nachdem man ein paar
Gegenstände »in der unsinnigsten weise« zusammengesammelt hatte, entschloss man
sich zum Verlassen der Wohnung, was durch den starken Rauch und eine beinahe
zugefallene Tür fast gescheitert wäre. Zu diesem Zeitpunkt war selbst Spauns Mutter
–
mit den beiden kleinsten Geschwistern – noch in einem anderen Teil der Wohnung
und versuchte mit »ein paar Männer[n]«, wertvollere Besitztümer in einem Keller des
Landhauses in Sicherheit zu bringen.171 Spauns Vater war zwar ebenso im Landhaus,
er kümmerte sich jedoch um die Löschversuche und die Evakuierung des ständischen
Archivs und der Kasse und forderte nur über einen Boten seine Familie zum Verlas-
sen des Gebäudes auf : Man solle nicht in das Elternhaus der Mutter am Hauptplatz,
sondern zu einem Freund der Familie, dem Direktor der Wollzeugfabrik, flüchten.172
Zwar war relativ schnell Feueralarm gegeben worden, auch kam regionale Hilfe, das
Feuer brannte aber bis zum 16. August weiter und konnte erst beim Schmiedtor und
am Hofberg, vermutlich durch die Anlage von Feuerschneisen, gestoppt werden.173
Es war ein »schauerliches Feuermeer am nächtlichen Himmel und über das ganze
Firmament wälzten sich die glühenden Massen«, erinnerte sich Joseph v. Spaun. Om-
nipräsent waren das ständige Läuten der »Feuerglocken«, das Schlagen der »Trom-
meln«, das Gedränge und »Geschrei der Leute« – das alles resultierte für Spaun in ei-
nem »fürchterlichen[,] nie zu vergessenden Eindruck«.174 Es habe Menschen gegeben,
so wurde in einer wenige Wochen nach dem Brand gehaltenen Predigt moniert, »die
dem allgemeinen Elende mit Kälte und Gleichgültigkeit zusahen ; andere, die Arm in
Arm lustwandelten, und in dem fürchterlichen Schauspiele Unterhaltung zu finden
schienen«.175 Spauns Mutter betete »die ganze Nacht«, erst am nächsten Tag sah die
Familie den Vater wieder, der lakonisch verkündete, dass man nun »Bettler-allein« sei,
da alle Besitztümer verbrannt seien.176 Das Feuer scheint in den nachfolgenden Tagen,
zuletzt in der Nacht zum 19. August, in den Ruinen vereinzelt erneut aufgeflammt zu
sein, was die Landstände als Nachlässigkeit der Stadt kritisierten.177 Insgesamt war ein
171 Doku, Spaun, 42 ; vgl. Depiny, Aufzeichnungen, 180 – 182.
172 Doku, Spaun, 43f.
173 Awecker, Brand, 26 – 30 ; Waldhauser, Predigt, 20 ; Mader, Reise, 13.
174 Doku, Spaun, 43.
175 Waldhauser, Predigt, 16.
176 Doku, Spaun, 44 ; Spaun meldete dem Magistrat einen Schaden von rund 5.000 fl (»Geld, Praetiosen,
Kleydung, Wesch, Better, und Zim[m]ereinrichtungen«) und äußerte den Wunsch, dass – bei einer
etwaigen Vergütung seiner Schäden – das Geld an seine drei Dienstbotinnen ausgezahlt werden solle
(AStL, Altakten, Sch. 189).
177 AStL, Altakten, Sch. 189 ; vgl. Awecker, Brand, 31 u. LR BIIA41, Reg. 20009 (178f.).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Titel
- Transformationen städtischer Umwelt
- Untertitel
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Autor
- Georg Stöger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 368
- Schlagwörter
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364