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| Logiken und Akteure des Existenten und des
Wandels330
Fließgeschwindigkeit, auch verschwanden Überflutungsräume. Diese Modifikationen
des Flusses resultierten in einem veränderten Impact von extremen Hochwasserer-
eignissen, die zudem partiell unerwartet auftraten ; der Glaube an eine erfolgreiche
Regulierung wurde dadurch aber nicht erschüttert. Auch die neue Donaubrücke ver-
änderte die Strömungsverhältnisse, wodurch es zu Verlandungen im Donauarm und
dadurch zu Problemen der Abwasserentsorgung kam. Die Antwort auf diese Probleme
war ingenieurstechnischer Natur : Es wurden neue Dämme errichtet und bestehende
erhöht, man schüttete den Donauarm großflächig zu und verlegte den Abwasserkanal.
Den Transformationen standen Kontinuitäten in einer Vielzahl von Bereichen ge-
genüber : Partiell dauerten vormoderne Praktiken lange fort und auch neue Infrastruk-
turen wiesen Pfadabhängigkeiten auf. Brunnen und Senkgruben blieben in peripheren
Bereichen über das 19. Jahrhundert hinaus in Verwendung ; sie wurden nur bei offen-
sichtlichen Problemen infrage gestellt. Persistent war die Vorstellung des krankma-
chenden Gestanks, was weiterhin zu out-of-sight-out-of-mind-Lösungen führte (z. B.
bei Abwasser oder Abfall). Im energetischen Bereich ergab sich eine mittelfristige Pa-
rallelität : Als kalorischer Energieträger verlor das Brennholz nur langsam an Bedeu-
tung, vor allem in den Privathaushalten erfolgte der Übergang zur fossilen Energie
deutlich später. Auch die Wasserkraft- und Pferdenutzung verschwand nicht : Es han-
delte sich um angepasste Lösungen, die im Verlauf des 19.
Jahrhunderts teilweise sogar
ausgebaut wurden und deutliche ökonomische Vorteile aufwiesen. Erhebliche Kon-
tinuitäten gab es beim Recycling von Materialien und beim Weiternutzen von Ob-
jekten, ebenso behielten Pfandleihe und Reparieren ihre Relevanz. Der vormoderne
Grundzug des Sparens, der auch den Umgang mit Objekten und Ressourcen prägte,
wirkte bis ins 20. Jahrhundert fort – der Konsum von Gebrauchtem verschwand aber
zunehmend aus der Alltagsökonomie. Deutlich zeichnen sich trotz der zahlreichen
Veränderungen das Fortdauern einer solidarischen Gesellschaft und die weitgehende
Absenz staatlicher oder städtischer Hilfe bei Extremereignissen ab. Erst in den letzten
Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts entstand eine städtische Feuerwehr, die ein bürger-
liches Projekt darstellte. Daneben existierten aber immer noch vormoderne Elemente :
private Löschpflichten, die Feuerwachen auf den Türmen, zudem vormoderne Brand-
risiken und Brandbekämpfungsprobleme, besonders an der Peripherie der Stadt.
Es wurde versucht, die Alltäglichkeit städtischer Umwelt und deren Wandel anhand
der Fokalpunkte Metabolismus, Urbanisierung von Natur und sozionaturale Krisen zu
rekonstruieren, was es ermöglichte, parallele und reziproke, aber auch divergierende
Entwicklungen zu identifizieren. Insgesamt zeichnet sich ab, dass es im Falle der Stadt
Linz nicht gerechtfertigt erscheint, eine Dauerkrise städtischer Umwelt im Moder-
nisierungsprozess anzunehmen. Es ergaben sich vielmehr neue Settings, neue Arran-
gements und Praktiken auf der einen Seite und Kontinuitäten auf der anderen Seite,
wobei sich insgesamt keine linearen Wandlungsprozesse und kaum tiefere Brüche er-
kennen lassen. Die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Akteursebenen,
wie es Henri Lefebvre bezeichnet hat, sind als vielschichtig und mitunter situativ einzu-
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Transformationen städtischer Umwelt
Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Titel
- Transformationen städtischer Umwelt
- Untertitel
- Das Beispiel Linz, 1700 bis 1900
- Autor
- Georg Stöger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21233-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 368
- Schlagwörter
- Umweltgeschichte, Stadtgeschichte, Nachhaltigkeit
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 11
- 2. Kontexte : Linz 1700 bis 1900 36
- 3. Wasser 75
- 4. Energie und Biomasse 109
- Omnipräsenz des Brennholzes 109
- Die langsame Transition zur fossilen Energie 118
- Pferde und Wasser : Erneuerbare Antriebsenergie 123
- Lebensmittel : Lokaler Bedarf und lokale Versorgung 127
- Dritter bis sechster »Kreis« : Lebensmittel aus dem Um- und Hinterland 137
- Modifikationen der Lebensmittelversorgung 141
- 5. Zirkulationen und Output 145
- 6. Fluviale und aquatische Räume 185
- 7. Geordnete und modifizierte Umwelt 205
- 8. Natur der Städter – Natur für Städter 232
- 9. Epidemie 253
- 10. Versorgungskrise 274
- 11. Naturgefahr 290
- 12. Logiken und Akteure des Existenten und des Wandels 324
- Literatur- und Quellenverzeichnis 332
- Archivalien und ungedruckte Quellen 332
- Datenbanken 333
- Periodika 333
- Gedruckte Quellen und Literatur 334
- Anhang 358
- Verzeichnis der Tabellen und Grafiken 358
- Abbildungsnachweis 359
- Währungen und Maßeinheiten 360
- Hinweise zu den kartographischen Darstellungen 362
- Abkürzungen 364