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Amalie Fößel hat in einem recht umfangreichen Kapitel ihrer Untersuchung zur Köni-
gin im mittelalterlichen Reich bereits herausgestellt, dass sich anhand von Urkunden des
10. bis 12. Jahrhunderts in einer großen Zahl von Fällen die Kaiserin bzw. Königin als Ver-
mittlerin bzw. Fürbitterin ausmachen lässt143. Daraus zog Fößel den Schluss, dass es „eine
grundsätzliche Akzeptanz ihrer Mitsprache in Angelegenheiten der Reichspolitik“ gegeben
habe144, wobei die Rolle der Kaiserin als Fürsprecherin nicht auf bestimmte Inhalte festge-
legt werden könne und sich ihr insgesamt über rechtlich relevante Interventionen zahlrei-
che Möglichkeiten politischer Einflussnahme eröffneten. Lässt sich diese Aktivität in Be-
zug auf das Reich im späteren Mittelalter aufgrund veränderter Urkundenausstellung nicht
mehr so deutlich greifen, so ist die Frage, ob und inwieweit eine frühneuzeitliche Kaiserin
derartige Möglichkeiten hatte und nutzen konnte, bislang gar nicht gestellt worden.
Dabei ist der Umstand, dass sich für Landesfürstinnen ein entsprechendes Agieren als
Fürbitterin sehr wohl nachweisen lässt, das offensichtlich auch in Übereinstimmung mit
normativen Vorstellungen vom Handeln von Fürstinnen erfolgte145, freilich ein wichtiges In-
diz. Sie nutzten die Möglichkeiten der Fürsprache bei ihrem fürstlichen Gemahl ebenso wie
bei männlichen und weiblichen Verwandten, um Zusagen hinsichtlich von Ehrenerweisen,
Ämtern, juristischen Zugeständnissen etc. zu erreichen. Generell war sowohl für die an eine
fürstliche Frau Schreibenden wie für deren eigene Briefschaften ein ganz zentraler Beweg-
grund der des Bittens, der Übermittlung von Bitten und der Fürsprache, sowohl im eigenen
Interesse der Fürstin wie für Personen, die ihrer Klientel zuzurechnen waren146.
Als Fürbitterin trat die Kaiserin als Patronin derer auf, für die sie die Fürsprache leistete,
und Patronage147 stellte ein ganz wesentliches Element der Verflechtung und damit der Ge-
staltung von Netzwerken dar. Bitten, Fürsprache und Empfehlung waren Instrumente, die
sowohl Männer wie Frauen einsetzten, die als Patrone und Patroninnen, als Vermittler und
Vermittlerinnen in Erscheinung traten. Dabei gibt es zahlreiche Anhaltspunkte dafür, dass
Fürstinnen über die Grenzen der jeweiligen Territorien hinweg um Fürbitten angesprochen
wurden – und dies galt ganz offensichtlich auch für die Kaiserinnen. Allerdings blieben In-
terventionen von Fürstinnen eben weitgehend Bitten bzw. Empfehlungen: an den Ehemann
oder andere männliche Verwandte, an Amtsträger ebenso wie an andere ranghohe Frauen.
143 Fößel, Königin, 123–150; siehe auch Hartmann, Königin, 20f.
144 Fößel, Königin, 146
145 Keller, Anna von Sachsen, 90–111; Wunder, Regierende Fürstinnen, 43; Greinert, Unterord-
nung, 225–238; Arenfeld, Intercessor; Tomas, Medici Women, 44f.
146 Nolte, Pey eitler finster, 196f.; Rogge, Familienkorrespondenz, 211; Mallick, Spiritus intus agit,
380, 413 und oft. Zur Klientel im Briefwechsel Daybell, Letter-Writers, 145–150, 232–240.
147 Kettering, Patronage; Emich/Thiessen, Stand und Perspektiven; zu neuerer Literatur siehe
Asch/Emich/Engels, Einleitung; Bastian, Verhandeln in Briefen, 220–227; Mallick, Spiritus
intus agit, bes. 21–26, 29f. Zuletzt wurde Patronage stärker im Kontext von Korruption themati-
siert, z. B. Engels/Fahrmeir/Nützenadel, Geld.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Titel
- Die Kaiserin
- Untertitel
- Reich, Ritual und Dynastie
- Autor
- Katrin Keller
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 430
- Schlagwörter
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Überblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und Kurfürsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Überblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Überlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- Grußbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- Fürbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als Fürsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die Begründung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- Abkürzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427