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316 Handlungsfelder
desto mehr in undt außer Reichs prejudicirn, als sie bis dahto so großen ruhm dero eiffer
lieb undt generositet als ein unvergleichliger patriot erzeiget haben undt disen ruhm schon
aller orten erworben undt solche üble impressionen in denen gemüetern nicht so leicht
wider außzuloschen sein wurde.“
Recht deutlich versuchte sie hier durch den Hinweis auf seinen Ruf als Patriot, Johann
Wilhelm in dieser Sache mit der hochadlig-öffentlichen Meinung304 unter Druck zu set-
zen. Gemeinsam mit Mahnungen von Seiten mehrerer Kurfürsten führte dies tatsächlich
schnell zur Beendigung der angesprochenen Diskussion. Die Argumentation, der sich in
Eleonora Magdalenas Brief sofort wieder eine Versicherung des Vertrauens und der ge-
schwisterlichen Liebe anschloss, zeigt gut, wie die zweifellos vorhandene persönliche Be-
ziehung der beiden auch von Tagespolitik beeinflusst wurde, indem der Kurfürst eben die
Chancen des Vikariates zur Umsetzung eigener Interessen zu nutzen suchte305, ohne dies
allerdings bis zu einem regelrechten Loyalitätsbruch gegenüber seiner kaiserlichen Schwes-
ter zu treiben.
Ganz anders der Duktus eines Schreibens, mit dem sich Eleonora Magdalena im Au-
gust 1711 – mit Wissen und möglicherweise auf Veranlassung der Geheimen Konferenz306
– an ihren Bruder wandte mit der Bitte, sich doch ungeachtet zeremonieller Konflikte
mit der böhmischen Wahlgesandtschaft auf den Weg nach Frankfurt zu machen, um die
Wahl nun wirklich zu beschleunigen. Dabei ging es darum, dass die Gesandten als Ver-
treter des Königs von Böhmen die Präzedenz vor den anderen kurfürstlichen Gesandten
beanspruchten, was auch zu Konflikten hinsichtlich der Antrittsaudienzen bei den selbst
anwesenden Kurfürsten von Mainz, Trier und der Pfalz führte307. Johann Wilhelm lehnte
diese Prätentionen strikt ab und verlangte seinerseits die Wahrung kurfürstlicher Rechte.
Zugeständnisse hinsichtlich des Ranges des Königs von Böhmen konnte die Regentin an-
gesichts des Umstandes, dass dieser König ihr Sohn war, natürlich keinesfalls zulassen und
versicherte dem Bruder, sie habe
„nit unterlaßen, die böhmische gesantschafft dahin absonderlich zu instruiren, alles enge
vertrawen mitt euer Liebden zu pflegen, in allen mit ihnen zu corespondiren und ihren raht
304 Ruppel, Verbündete Rivalen, 291.
305 Ruppel, Verbündete Rivalen, 246.
306 Eine Stellungnahme von Wratislaw dazu siehe Arneth, Eigenhändige Correspondenz, 213f., der
ansprach, dass man durch die Regentin hier „ein temperament zu erzwingen in standt“ bleibe.
Zum Konflikt Pečar, Ökonomie der Ehre, 220f.
307 Ziekursch, Kaiserwahl, 111. Siehe dazu etwa HHStA, MEA WuK 39, Nr. 51 bis 56; ebenda, Staa-
tenabteilungen, Spanien, Hofkorrespondenz 13, Fasz. 3, fol. 101r–107v, 23.09.1711.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Titel
- Die Kaiserin
- Untertitel
- Reich, Ritual und Dynastie
- Autor
- Katrin Keller
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 430
- Schlagwörter
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Überblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und Kurfürsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Überblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Überlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- Grußbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- Fürbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als Fürsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die Begründung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- Abkürzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427