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Kaiserin und Reich: Schluss 327
ches mit dem Kaiserhaus. Die Kaiserin war in das System höfischer Audienzen weitgehend
paritätisch mit dem Kaiser selbst eingebunden, wobei die erste Visite jedes Reichsfürsten
wie jedes Gesandten dem Kaiser zu gelten hatte. Gewöhnlich wurde jedoch in direktem
zeitlichem Konnex auch die Kaiserin aufgesucht und durch diese Visite die Möglichkeit
zu weiterem Erscheinen bei Hofe geschaffen. Dies galt in besonderem Maße für Damen
reichsfürstlichen Standes, die ausschließlich von der Kaiserin empfangen wurden. Damit
deutet sich wie schon für die Krönungen an, dass den Kaiserinnen eine spezifische Rolle
für die Einbindung von Fürstinnen und Gräfinnen in den Zusammenhang des Reiches
zukam.
Eine weitere Möglichkeit, Anfragen und Bitten an die Kaiserin zu übermitteln, waren
Korrespondenzen, die wiederum auch für die Kaiserin selbst die Möglichkeit der Für-
bitte beinhalteten. Ungeachtet schlechter Überlieferung und rudimentärer Erforschung
der Briefwechsel von Habsburgerinnen zeigen vorhandene Korrespondenzbruchstücke
deutlich, dass Kaiserinnen wie Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg und Amalie Wil-
helmine von Braunschweig einerseits in ein das Heilige Römische Reich weithin umspan-
nendes System brieflicher Statuskommunikation eingebunden waren. Durch regelmäßige
Grußbriefe wurden dynastische wie reichständische Verbindungen perpetuiert. Anderer-
seits wurden sie sowohl aus den habsburgischen Erblanden wie aus dem Reich sowie aus
anderen europäischen Staaten als Vermittlerinnen angesprochen und richteten selbst dort-
hin Fürbitten. Dass dabei dynastische Netzwerke eine Rolle spielten, kann kaum überra-
schen; allerdings war die Funktion der Kaiserin als Vermittlerin und Fürsprecherin nicht
allein auf derartige dynastisch-familiäre Kontakte beschränkt.
Interventionen von Königinnen bzw. Kaiserinnen im Rahmen des Heiligen Römi-
schen Reiches lassen sich dabei in vielen verschiedenen Feldern erkennen. Die größte
Zahl von Fürbitten bezog sich wohl auf die Vergabe von Ämtern im weltlichen wie im
geistlichen Bereich, von der priesterlichen Pfründe bis zum militärischen Kommando,
auch allgemeine Empfehlungen und Gnadenäußerungen ohne konkreten Gegenstand
kamen häufig vor. Deutlich seltener, aber doch in erwähnenswerter Zahl lassen sich Inter-
ventionen bei Rechtsgeschäften und Empfehlungen für Eintritte in Klöster nachweisen;
außerdem konnten Fürsprachen für den Erhalt von Geldzahlungen oder für die Unter-
stützung von Klosterbauten bzw. Klostergründungen festgestellt werden. Die meist sehr
lückenhafte Überlieferung erlaubt allerdings weder einen einigermaßen umfassenden
Überblick über die Anlässe noch die genauere Betrachtung von Strategien der Frauen in
diesem Kontext. So lassen sich Überlegungen hinsichtlich der Erfolgschancen in Bezug
auf konkrete Gegenstände einer Intervention ebenso wenig nachvollziehen wie solche
hinsichtlich der Personen bzw. Institutionen, die die Bitte erfüllen bzw. eine Empfehlung
weiterleiten sollten.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Titel
- Die Kaiserin
- Untertitel
- Reich, Ritual und Dynastie
- Autor
- Katrin Keller
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 430
- Schlagwörter
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Überblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und Kurfürsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Überblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Überlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- Grußbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- Fürbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als Fürsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die Begründung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- Abkürzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427