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GRAF EGBERT BELCREDI – DER „ECHTE“ KONSERVATIVE 35
im Ausbau des Netzes katholisch-politischer Vereine – und klagte in diesem
Zusammenhang, wie üblich, über die Apathie der Bischöfe.106 Die Gründung
der Katholisch-Nationalen Partei, mit der er seit Jahrzehnten liebäugelte,
hat Belcredi nicht mehr erlebt. Doch ihr Sprachrohr, den 1885 zur Tageszei-
tung erweiterten Hlas, hat er wesentlich mitgestaltet. Nach anfänglichem
Zögern107 organisierte er zusammen mit Ernst Silva-Tarouca auch den ers-
ten „tschechoslawischen“ Katholikentag in Brünn im Juli 1894, dem er zu
seinem Leidwesen dann bereits krankheitshalber fernbleiben musste.
Ab 1889/90 machten sich bei Belcredi gesundheitliche Probleme bemerk-
bar. Ende 1890 erblindete er auf einem Auge, musste das andere schonen
– und fürchtete sich vor den langen Winternächten, wenn ihm das Lesen
verboten war.108 Zunehmend fiel ihm auch das Gehen schwer. 1891 nahm er
kein Mandat mehr an und wies vorauseilend auch jeden Gedanken an eine
Berufung ins Herrenhaus von sich. Den Sturz Taaffes, der als „Herostrat“
mit dem Entwurf für das allgemeine Wahlrecht zuletzt noch eine „Dynamit-
patrone ins Haus der Dummheit“ geschleudert habe, hat er selbstverständ-
lich nicht bedauert.109 Die „Große Koalition“ mit den Deutschliberalen, die
auf Taaffe folgte (das Ministerium Windisch-Graetz 1893–1895), war nicht
nach seinem Geschmack, doch fällt auf, dass er sie nicht schärfer beurteilte,
ja, sie gegen die jungtschechische Opposition in Schutz nahm.110 In dieser
Beziehung ließe sich bei Belcredi eine gewisse Altersmilde konstatieren.
Als sein Vermächtnis betrachtete Belcredi das Vaterland, für das er große
Summen ausgegeben hatte. Das Resultat seiner Bemühungen sei: „Reich-
tum an Kritik und Armut an Geld.“111 Den Vorsitz in der Herausgeberge-
sellschaft übergab er 1894 – wenige Monate vor seinem Tod – an den Nie-
derösterreicher Graf Franz Falkenhayn, eine sehr konventionelle Wahl, die
keine gewagten politischen Initiativen erwarten ließ.112 All die oft gewälz-
ten Expansionspläne mussten – bis auf die Herausgabe eines Abendblatts
– aufgegeben werden. Zwischen der katholischen Reichspost, die eine Brü-
cke zwischen den alpenländischen Konservativen und den Christlichsozialen
bildete, und dem Deutschen Volksblatt, das für die Christlichsozialen auch
weiterhin um die Deutschnationalen warb,113 führte das Vaterland nur mehr
106 Insbesondere Tb. 20.10.1891, 4.6.1893.
107 Tb. 9.3.1888.
108 Tb. 22.9.1889, 29.12.1890, 22.9.1891, 2.9.1892.
109 Tb. 4.12.1893.
110 Tb. 12.1.1894.
111 Tb. 28.11.1887.
112 Tb. 28.5.1894; als Alternative hätte sich Ernst Silva-Tarouca angeboten, den Belcredi offen-
bar nicht durchsetzen zu können glaubte.
113 Vgl. zur Person des Gründers Werner adelMeier, Ernst Vergani, phil. Diss. Wien 1969;
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115