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INGROWITZ, 27. AUGUST 1855 163
Doch so lässt man die Dinge gehen, wie sie wollen, entfremdet sich und
lässt sich diejenigen entfremden, über die man von Gott als Herr gesetzt,
über welche man zu wachen verpflichtet ist!
Alle Erlässe und Maßregeln der revolutionärsten Regierung zerschel-
len machtlos am granitenen Baue gesunder, natürlicher historischer Zu-
stände. Der Verwitterung aber fällt das festeste Gestein anheim, wenn es
der ungestörten Einwirkung fast unscheinbarer, aber immer und stetig
wirkender chemischer und mechanischer Kräfte ausgesetzt bleibt. Diesen
sind die untersten Behörden bürokratisch regierter Staaten zu verglei-
chen. Sie nagen ohne Unterlass mit allem proletarischen Grimm am histo-
rischen Baue der Gesellschaft und zerstören endlich, was Jahrhunderten
Trotz geboten.
Wir aber, die den Prachtbau unserer Väter schützen und einzelne Schä-
den bessern sollten, haben nicht Aug’ noch Sinn für die Gefahr und unsre
Pflicht. Wir leben in träger Isolierung und erwarten den Messias, der uns
ohne Mühe und Verdienst erlösen soll, stoßen die Sinnen der zu uns Gehöri-
gen zurück, weil wir sie nicht verstehen und uns nicht um sie bemühen wol-
len, und hassen die Bauern, diese gebornen Soldaten unsrer Schlachten, mit
nörgelndem törichtem Grimm, weil sie anno 1848 unsere Hasen erschossen!
– Aber: Während wir schlafen, wachen unsre Feinde.
Ingrowitz, 27. August 1855
Als es den Adelsfeinden gelungen war, den Landesfürsten Adel und Adels-
macht als ihre gefährlichen Nebenbuhler verdächtig zu machen; als man zu
diesem Zwecke und im Interesse demokratischer Universalherrschaft sie
gegen ihr eigenstes Interesse blind gemacht, es sie verkennen ließ, dass im
Adel die Macht des Thrones die einzige Sicherheit, die Freiheit des Volkes
die mächtigste Schutzwehr finde; als man ihre Eitelkeit aufgestachelt und
den sultanischen Alleinherrschaftsgelüsten geschmeichelt hatte; sah man
sich nach allerlei Mitteln um, sein Ziel allgemeiner Gleichmacherei zu er-
reichen.
Auf dieser weiten Flugsandebene ohne alle feste Unterlage konnte dann
bis auf Weiteres der Fürstenthron, einsam emporragend, noch allenfalls ste-
hen bleiben.
Mit Beruhigung konnte es der Bewegung und den Stürmen der Zukunft
überlassen bleiben, ihn vollends umzustürzen.
Mit vollendeter Kenntnis der Schwächen menschlicher Natur erwählte
man die Aufstachelung unnatürlicher Eitelkeit zum vornehmsten Mittel.
Die bis dahin sehr einfach lebenden Fürsten und ihre ebenso bescheide-
nen Höfe wurden dahin vermocht, sich mit einem reichen Schwarm von Höf-
lingen, Jagdgefährten und Lustgenossen zu umgeben.
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115