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1867326
Durch Gustav Belrupt an den Erzbischof, dann an Heinr[ich] Clam-Marti-
nic eine von Dr. Hošek ausgearbeitete sehr interessante Gegenschrift auf des
F[ür]stbischofs Wiery von Lavant750 an alle Bischöfe versendete Schrift: „Ein
Wort über die Virilstimmen der Bischöfe in den cisleithanischen Landtagen“
(die ihm Gott verzeihen möge!) gesendet.
Es ist von möglichst vielen Punkten aus gegen so verderbliche Ratschläge
zu opponieren. Ein Rückzug der Bischöfe aus der polit[ischen] Aktion hätte
den gezwungenen des niedern Klerus zur Folge. Es wäre ein Schritt von un-
absehbaren Folgen, und hieße mindestens, unser Volk rat- und schutzlos der
jüdischen Coterie auszuliefern.
Ein Schreiben von Dr. Melichar aus Kržižanau erhalten und beantwortet.
Es handelt sich um die Beschaffung guter belehrender Lektüre für die acker-
bauende Landbevölkerung.751 Leider ist mit unsrer Matice moravská unter
ihrer jetzigen Leitung wenig anzufangen.
Die traurige Wahrnehmung gemacht, dass das in unsrem Volke so mäch-
tige dynastische Gefühl, die Treue und Anhänglichkeit an den Kaiser und
Österreich – nach den neuesten polit[ischen] Wandlungen – zusehends
schwindet.
Nach der Kaiserreise im Oktober nahm es einen so erfreulichen Auf-
schwung!
Wladimir Mittrowský hatte vor kurzem eine Audienz, um sich für die Be-
rufung ins cisleithanische – nicht mehr österreichische – Herrenhaus zu be-
danken. Wie er erzählt, sagte ihm der Kaiser: „Ich habe Sie vorzüglich aus
dem Grunde in mein Herrenhaus berufen, weil ich weiß, dass Sie mit mir die
gleiche Ansicht teilen, dass diejenigen Herrn, welche jetzt in der Opposition
sich befinden, an Treue, Ergebenheit und Opferwilligkeit niemandem nicht
nur nicht nachstehen, sondern diejenigen weit übertreffen, welche sich zur
sogenannten Verfassungspartei zählen!“752
Da steht einem wahrlich der Verstand still!
750 Valentin Wiery (1813–1880), Fürstbischof von Gurk ab 1858, MkLT ab 1861; nicht von La-
vant, das waren Anton Martin Slomšek (1800–1862) bzw. Jakob Ignaz Maximilian Stepi-
schnegg (1815–1889).
751 Jan Melichar (1809–1901), Apotheker in Křižanov, Pansophist wie Franz Klácel.
752 So berichtete P. Hošek am 12.5.1867 und fuhr fort: „Der H. Graf spricht denn auch gewöhn-
lich: ‚Wir von der Rechten’, will ‚gewaltig dagegen protestieren, daß man ihn mit der Lin-
ken identifiziere’, ist in höchstem Maße ergrimmt über diejenigen, welche ‚die Schule von
der Kirche trennen wollen’ usw.“ Mittrowský selbst schrieb am 21.5.1867 an Belcredi: „Du
siehst, lieber Freund, in der Politik doch zu schwarz!“ Es sei nicht richtig, „allem, was jetzt
unter Beust geschieht, die Legalität abzusprechen“. Denn: „Geht’s mit dem gegenwärtigen
Apparat nicht, so kenne ich keinen anderen legalen Weg und bin auch überzeugt, daß dann
die Diktatur folgt. Ich hoffe aber, daß es dazu nicht kommen wird“.
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Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115