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LÖSCH, 7. MÄRZ 1875 411
Und trotz alledem modus vivendi und Hirten, die ihre Herde verlassen
und bei der Staatsgewalt um Instruktionen betteln!
Lösch, 4. März 1875
Nach Tische Zeitung gelesen. Zwischen der M[oravská] orlice, welche unsre
Opportunitätsmenschen vertreten muss, und dem Olmützer Pozor, der wie-
der aus wer weiß [was] für Geschäfts- oder persönlichen Rücksichten – aus
Grundsatz gewiss nicht – die prinzipielle Opposition auf seine Fahne ge-
schrieben hat – im vorigen Jahre war es genau das Gegenteil! – ist schon
offener Krieg. Das ist der Zerfall der ehem[aligen] nationalen, eigentlich
Advokaten-Partei, der vom 16. Jänner 1874, dem Tage des Beschlusses, in
den Reichsrat einzutreten und das jungtschechische Aktionsprogramm zu
akzeptieren, datiert. Ich sagte dies an jenem Tage voraus, und nun wird die
damals begonnene fortschreitende Zersetzung bald niemand mehr in Zweifel
lassen, dass ich richtig vorausgesagt habe.
Lösch, 5. März 1875
Dr. Pražák sagte mir neulich, sie würden in dem angeblich am 12. April zu-
sammentretenden Landtag wieder das „Raue herauskehren“. Ob darüber
und von den Leuten noch jemand in besonderen Schrecken geraten wird?
Im Landtag des Dezembers 1873 bis 16. Jänner 1874 war eine solche Hal-
tung der damaligen nationalen Partei ebenso gerechtfertigt als wirkungs-
voll. Der Saal und das Land widerhallten vom Lärm der parlamentarischen
Schlacht, und alle Zeitungen trugen ihn weit über die Grenzen hinaus. Doch
schon am 21. Jänner kroch man zu Kreuz, d. h. in den cisleithanischen Reichs-
rat, verließ die Stamm[es]genossen in Böhmen und die eigene Deklaration.
Im Oktober-Landtag 1874 war alles mäuschenstill. Aus den Löwen waren
Lämmer geworden. Und nun soll wieder die umgekehrte Metamorphose ge-
schehn. Wem wird ein derartiges Spektakelstück imponieren und nicht als
Komödie erscheinen?
Lösch, 6. März 1875
Abends Leo Thun geschrieben und den Auszug aus dem im Landtag am
16. September 1871 vorgetragenen Bericht über das Wahlrecht der Olmüt-
zer Kapitel-Dignitäre geschickt.
Lösch, 7. März 1875
Nachmittag noch nach Brünn zur valná hromad[]a Akciové tiskárny mo-
ravské1014 gefahren. Dabei [mit] P. Klíma über die oft berührte Notwendigkeit
1014 Generalversammlung der Aktiengesellschaft der mährischen Buchdruckerei.
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115