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WIEN, 2. MAI 1883 661
Lösch, 2. April 1883
Gestern am Weißen Sonntagnachmittag zur öffentl[ichen] Versammlung der
Jednota k. p. nach Brünn. Dort hörte ich die alte Klage über die absolute
Energielosigkeit des Statthalters. Nun, ich habe alles rückhaltlos getan, ihn
über Personen und Verhältnisse aufzuklären.
Leider hörte ich auch vom Bischof, er kümmere sich fast ausschließend
um rituelle Angelegenheiten, verkehre wenig und dann noch oft in wenig ge-
winnender Weise mit Domkapitel und Klerus, sei noch ein Fremdling in der
Diözese und niemand wisse recht, wie er mit ihm daran sei!
Wir scheinen in Mähren kein Glück mit unsern „Spitzen“ zu haben.
Wien, 9. April 1883
Am 4. Nachmittag hier angekommen. Am 5. und 6. Sitzung des Abgeordne-
tenhauses. Aus unsrer Majorität war eine Minorität geworden, da es vielen
beliebte, noch zuhause zu bleiben. Unter diesen fehlten 7 Priester von der
Rechten und fiel eine Petition um Sonntagsheiligung!1597
Im Gewerbeausschuss sind die Fabrikanten wütend, dass ich sie hindern
will, die Arbeiter wie bisher auszuschinden.
Lösch, 14. April 1883
Das Vaterland Nr. 101 schließt heute seinen Leitartikel, wie folgt: „Unsre
Epoche trägt jenen Typus an sich, der regelmäßig die den großen Katast-
rophen vorangehenden Zeitabschnitte zu charakterisieren pflegt: ein leicht-
lebiges, in den Tag Hineinwirtschaften; volles Unverständnis für die be-
rechtigten Ideen, welche sich durchzukämpfen streben; neben allgemeinem
Pessimismus eine ebenso allgemeine intellektuelle und moralische Erschlaf-
fung; und als Trostmittel gegen alle diese beunruhigenden Erscheinungen
eine grundsätzliche Frivolität, die jeden Gedanken über den nächsten Tag
hinaus als absurd verspottet.“1598
Wien, 2. Mai 1883
Alle Abende Enquete des Gewerbeausschusses über meine Anträge. Die So-
zialisten zur Teilnahme mit schwerer Mühe bewogen. Nun hören die Leute
Dinge, welche sie mir nicht glauben wollten. Es ist ganz gut – auch für die
unwissende Regierung. Leider wohl zu spät?
1597 Der slowenische Abgeordnete Josef von Tonkli, der eine Reihe entsprechender Petitionen
vorlegen sollte, fehlte bei der Sitzung (StPAH, IX., 9980, 7.4.1883).
1598 Die Zustände in Frankreich, in: Das Vaterland, 14.4.1883, 1.
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115