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LÖSCH, 27. AUGUST 1883 681
Ingrowitz, 9. August 1883
Spiegel gestern abgereist.
Manches – darunter auch Pražáks Wahlreformprojekt, welches ihm wie
mir wenig behagt – mit dem geist- und kenntnisreichen jungen Mann, der
aber leider auch wieder nicht böhmisch sprechen kann, besprochen.
Heute in einem ausgezeichneten Leitartikel des Vaterland u. a. gelesen:
„Wie können die Armen und Unterdrückten Vertrauen fassen zu denen,
die durch Stellung und Beruf verpflichtet sind, sich ihrer anzunehmen. Wie
können sie, die mitten unter Christen sich von Ungerechtigkeit umgeben
sehn, Liebe gewinnen zum Christentum, wenn man ihnen im Namen des
welterlösenden Heilands nichts Andres zu sagen weiß als: Der Staat, die
Gesellschaft der Christen gehört ein für alle Mal der Ungerechtigkeit, der
sozialen Auflösung, der Ausbeutung der Armen und Schwachen. Ihr, die ihr
mühselig und beladen seid, laßt alle Hoffnung fahren. Für euch ist die Welt
eine Hölle, eine Hölle auch in sittlicher Beziehung. Und wenn man auch
einst gelehrt hat zum Herrn zu rufen: Reichtum halte fern von mir, damit
ich nicht in Üppigkeit versinke, aber auch das Elend, damit ich nicht in Ver-
suchung falle! So hört auf mit diesem Gebete, denn für euch ist das äußerste
Elend die Existenzunsicherheit das unabweisliche Los!“1635
Lösch, 26. August 1883
Vogelsang wollte Taaffe trotz meines Drängens die oberste Leitung der Ge-
werbereform nicht übergeben. Alles wendet sich in seinen Nöten an mich.
Was kann ich tun?
Die weise Regierung ignoriert auch meine Existenz, seit ich von Wien fort
bin.
Ich habe immer befürchtet und gesagt, an der Durchführung werde alle
Reform scheitern.
Lösch, 27. August 1883
Wie unbedachtsam man doch oft vorgeht, um keinen schärferen, vielleicht
bezeichnenderen Ausdruck zu brauchen!
So gab man z. B. dem ganz bedeutungslosen Pfarrer von Vážan, Breit-
hert,1636 einem Deutschen, zur Secunditz ein Verdienstkreuz, dem verdien-
ten, geachteten Dechant und Pfarrer von Lulč – Anton Schubert,1637 einem
Böhmen, beim selben Anlass – nichts!
1635 Der Niedergang des Mittelstandes und die sociale Aufgabe des Christenthums, in: Das
Vaterland, 8.8.1883, 1f.; hier: 1.
1636 Karl Breithert, geb. 1808.
1637 Anton Schubert, geb. 1804, Dechant und Pfarrer in Luleč.
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115