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LÖSCH, 17. DEZEMBER 1883 697
Staatsmann ist er nicht, denn ein solcher könnte nicht 4 Jahre im Reichsrat
sitzen, ohne in Reden und Anträgen sein Programm aufzustellen.
Er hat also entweder keins oder er hat nicht den Mut, damit hervorzutre-
ten. Beides nimmt sich bei einem Parteiführer und langjährigen Minister-
kandidaten eigentümlich aus.
Sollte es noch einmal zur Bildung eines konservativen Ministeriums kom-
men, warum sollte der Kaiser gerade ihn berufen? Er weiß ja eben so wenig
Bestimmtes darüber, was er eigentlich will, wie wir andern.
Bis jetzt konnte man aus seinem polit[ischen] Leben nur einiges erfahren,
was er nicht will.
Auch G[ra]f Hohenwart sitzt meist stumm im Abgeordnetenhaus und prä-
sidiert dem Budgetausschuss. Kein Antrag, kein Programm, nichts!
Lösch, 17. Dezember 1883
Am 15. R[eichs]ratswahl, bei welcher wir samt den Wilden mit 74 gegen
79 Stimmen der Liberalen in der Minorität blieben. Nun hat das Ministe-
rium 2 Gegner mehr!
Die Wilden – denen sich auch Kaunitz zugesellt – machten mit ihren
Stimmen dem Kandidaten der Linken, Kübeck, ein Geschenk! Warum? Wir
blieben bei den frühern Kandidaten: Karl Lützow und Badenfeld. Für Letz-
tern stimmten auch die Wilden. Wären Karl Seilern, Spiegel und Dr. Dob-
rovský1662 zur Wahl gekommen, so hätten wir die Vollmachten von G[ra]f
Logothetti und G[rä]fin Larisch untergebracht und mindestens Stim-
mengleichheit erzielt. Eventuell, wenn die beiden Brüder Ottokar und Vla-
dimír Daun1663 sowie Fürstin Lobkowitz Vollmacht gegeben hätten, sogar die
Majorität. Vielleicht ist diese Lektion der matten Regierung zum Heil?
Sind eigene Leute, diese Minister und Staatsmänner!
Taaffe sprach kein Wort mit mir über die Wahlen und der Handelsminis-
ter keines über die gewerbl[ichen] Reformen! Dagegen zeigt die gegnerische
Presse bei jedem Anlass, wie nahe ihr die Sache geht. So schreibt die N[eue]
Fr[eie] Presse in ihrem Zorn über den konservativen Sieg des ungar[ischen]
Oberhauses in der Christen-Juden-Ehe-Debatte: „Vielleicht haben die par-
lamentarischen Erfolge unsrer Belcredi und Liechtenstein den ungarischen
Adel nach ähnlichen Lorbeeren lüstern gemacht.“
1662 Johann Adalbert Dobrovský, Besitzer der Herrschaft Újezd.
1663 Die Brüder Ottokar (1813–1904) und Wladimir (1812–1896) Grafen von Daun, Besitzer
der Herrschaft Biskupitz, stimmten in der Regel mit den Konservativen, waren aber
politisch nicht sehr interessiert; einmal hieß es über sie, „ihr Domizil sei unbekannt“,
es konnten ihnen „deshalb keine Legitimationskarten zugestellt werden“; siehe Politik,
31.3.1867.
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115