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1884
Lösch, 2. Jänner 1884
Von Leo Thun und neuster Zeit auch Heinr[ich] Clam und Georg Lobkowitz
hörte ich, dass sie den Bestand des Vaterland als einen ziemlich unsichern
betrachten.
Da mir das Eingehen des Blattes geradezu als Unglück für die konserva-
tive Sache erscheint, so ist es schon sehr bedenklich, wenn sich der Gedanke
an diese Möglichkeit in den Köpfen festsetzt.
Auf den Ausdruck meines Bedauerns und die Frage, warum diese bekla-
genswerte Eventualität eintreten sollte, erhielt ich zur Antwort: „Der Kreis
der Erhalter und Förderer des Blattes wird immer enger, die Last für die
Einzelnen schwerer, kurz – wir sterben aus.“
Ja, ist dann der ganze Konservativismus nur auf die Lebenden gestellt?
Warum geschieht nichts, um die jüngern Gesinnungsgenossen heranzu-
ziehen, auch sie zu Opfern geneigt zu machen? Ich werde versuchen, wenigs-
tens einige dafür zu mobilisieren.
Lösch, 6. Jänner 1884
Nach Zeitungsnachrichten ward doch der Schwätzer Handelskammersekretär
Stephani – der kein Wort böhmisch kann – zum Gewerbeinspektor ernannt!
So werden alle unsre Gesetze in der Durchführung verpfuscht.
Der Statthalter – dem man es mit Recht sehr übel nehmen wird – ist im-
mer unbegreiflich. Der sonst angenehme, freundschaftliche Verkehr mit ihm
wird mir schon fast peinlich, weil man mich im Volk für alles mitverantwort-
lich macht.
Lösch, 10. Jänner 1884
Das sind diese „Vlastenci“.
Da war vor einigen Jahren hier ein Schulrat Prousek, der sich darauf hin-
ausspielte und von den böhm[ischen] Zeitungen nicht genug gepriesen wer-
den konnte.
Natürlich hatte die liberale Regierung nichts eiliger, als ihn in ein deut-
sches Land zu versetzen. Unter der Konservativen kam er zurück nach Mäh-
ren, wo alle die Kollegen aus liberaler Schule ihn angeblich in allem hinder-
ten. Aus Unlust und Verdruss ließ sich der Patriot trotz Gesundheit und
voller Leistungsfähigkeit schleunigst pensionieren und zog nach Wien.
Keine Ausdauer und Geduld, keine Entsagung, mit einem Wort kein Op-
fer. Keine gewissenhafte Pflichterfüllung, die den Ausgang Gott anheimstellt,
wohl weil es an der Grundlage wahrer Vaterlandsliebe, der Religion, fehlt.
Open Access © 2016 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115