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LÖSCH, 9. MÄRZ 1890 911
Lösch, 4. März 1890
Otto Serényi schreibt gestern, die Mittelpartei wolle keinen Wahlkampf mit
der Linken. Sie unterscheidet sich von dieser ja nur durch den Namen einer
Partei ohne Programm, ohne Prinzip und klarem Ziel. Ihre Mitglieder un-
wissend, prinzipien- und charakterlos, im und dem Lande fremd.2151
Es mag zugegeben werden, dass der sog. „böhmische Ausgleich“ notwen-
dig war, und selbst dass er nicht anders geschlossen werden konnte, als dies
geschehen ist.
Ich bedaure aber tief, dass dickköpfiger Deutscher wegen, die nicht
Böhmisch lernen wollen, der fundamentale Rechtsgrundsatz: dass jeder
Landeseingeborene im Lande überall sein Recht muss finden können und
demgemäß jeder öffentliche Funktionär der Landessprachen mächtig sein
müsse, dabei verletzt wurde.
Im innersten Kern ist die ganze deutsche Streikbewegung2152 eine antiös-
terreichische! Ich glaube, dass eine andre als die Regierung Taaffe es verhin-
dern hätte können, dass die Dinge auf diesen Punkt kämen.
Lösch, 6. März 1890
Im Hlas lese ich heute einen Wahlaufruf der Mittelpartei, die, während die
Unterhandlungen mit uns noch schweben, dem Zuge des Herzens folgte und
hinter unserem Rücken ein Abkommen mit der liberalen Linken getroffen
hat! Wie ehrlich von den Ausgleichsmeiern.
Lösch, 9. März 1890
Gestern schreibt Otto Serényi vom 7. d. [M.], Vetter habe ihm am 6. gesagt,
über unsern Antrag vom 20. v. M. sei noch kein Beschluss gefasst, eine Ver-
bindung mit uns sei jedoch kaum möglich, weil in diesem Falle eine Anzahl
der Mittelpartei zur Linken abfallen würde! Eine schöne überzeugungs-
starke Partei das!
Wie konnte Vetter am 6. noch nichts von einem Beschluss wissen, nach-
dem die Zeitungen schon einen Wahlaufruf der Mittelpartei „Brünn, am
3. März 1890“ brachten, unter welchem auch sein Name glänzt?
2151 In nahezu identen Formulierungen kritisierte auch der Verfassungstreue Harrassowsky
die Mittelpartei, mit der „Übereinstimmung nur in der Grundsatzlosigkeit“ möglich sei
(MZA, RA Chlumecký 3/XVIII, Brief vom 20.5.1890).
2152 Gemeint ist der Boykott des böhmischen Landtages durch die Deutschen seit dem Dezem-
ber 1886.
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115