Seite - 1057 - in Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
Bild der Seite - 1057 -
Text der Seite - 1057 -
LÖSCH, 23. JULI 1894 1055
reden ausgetauscht und Einverständnis erzielt, alle Politik im engern Sinne
auszuschließen.
Dann über das Treiben der Gegner und Šrom gesprochen, von dem ich
sagte, ich hielte ihn für einen Ehrenmann und guten Katholiken. Durch
Schwäche und absolute Nachgiebigkeit gegen die schlechten Elemente un-
ter den Resten der ehemaligen Národní strana, jetzt Národní, resp[ektive]
Advokatenklub, bringe er sich aber nicht nur um seinen guten polit[ischen]
konservativen Ruf, sondern sei für die gute Sache geradezu zu einer Gefahr
geworden.
Sehr viele Priester und Katholiken sehen in ihm und der Partei, der er sei-
nen Namen leiht und die ihn missbraucht, noch den Šrom von ehemals und
in ihm einen Freund und Beschützer!
Sie hangen ihm deshalb aus Gewohnheit, und weil ihnen die erfolgten
Wandlungen nicht bekannt sind, an und hängen aus diesem und nationalen
Grunde an der sich noch so nennenden, aber unter Fanderlík und Kons[or-
ten] unmerklich jungtschechisch radikal gewordenen Národní strana blind
noch weiter an!
Somit ist der brave Mann am Ende seiner polit[ischen] Laufbahn aus
Schwäche zu einer Gefahr für konserv[ative] Sache geworden!
Brünn ursprünglich als Austragungsort für ungeeignet erklärt und für Prag als „Caput
Regni“ plädiert. Die „deshalb gepflogenen Verhandlungen hatten jedoch – der bestehen-
den Verhältnisse wegen [gemeint sein dürfte nicht zuletzt der Ausnahmezustand] – ein
abmahnendes Resultat.“ Belcredi wandte sich jedoch an Karl und Friedrich („Fido“)
Schwarzenberg mit der Bitte um Referate, da „wir [vom Adel] leider im Lande Niemand
haben, der dazu sprachlich befähigt wäre.“ (Briefe vom 15.5.1894). Doch „Fido“ wollte
allenfalls als Debattenredner auftreten (22.5.1894), Karl meinte, er könne „sich schwer-
lich als Tschechoslawe ausgeben“, warum man denn den Katholikentag nur für einen
Volksstamm organisiere? (10. Juni). Auch Adalbert Schönborn schrieb, er habe Beden-
ken, denn er sei „der Abstammung, also folglich auch der Nationalität nach, ein Nemec,
wenn auch kein Deutschnationaler.“ (24.5.) Sein Bruder Karl Schönborn stieß in dasselbe
Horn: „Vor allem bin ich kein „Cecho-Slovan“, sondern nur seit jeher ein warmer Freund
derselben.“ Er räumte ein, der Weg des „getrennt Marschierens und vereint Schlagens“
sei vielleicht der praktischere, „um etwas mehr überhaupt dem Katholizismus zu nützen
als bisher.“ Doch habe er „stets mit Zähigkeit an der Zweisprachigkeit unseres Vereines
festgehalten“, verwies aber auf Ferdinand Lobkowitz, „der sich als entschiedenen Cechen
fühlt.“ (6.7.) Belcredi hingegen wies in seiner Antwort an Karl Schwarzenberg auf das
Beispiel polnischer, slowenischer und ungarischer Katholikentage hin: „Der Sjezd muß,
um auf das böhmische Volk zunächst einzuwirken, in seiner Sprache tagen, weil ja schon
der Klang der Muttersprache nicht allein auf den Verstand, sondern auch auf das Herz
und Gemüt gewinnend wirkt.“ Die Grafen Spiegel und Stolberg würden ihre Teilnahme
auch nicht so auffassen, „als würden sie dadurch ihre deutsche Abstammung verleugnen“
(13.6.).
Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Titel
- Die Tagebücher des Grafen Egbert Belcredi 1850–1894
- Autoren
- Lothar Höbelt
- Johannes Kalwoda
- Herausgeber
- Jiří Malíř
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20067-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 1144
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort und Editionsrichtlinien 7
- Siglen- und Abkürzungsverzeichnis 11
- Lothar Höbelt: Graf Egbert Belcredi – der „echte“ Konservative 15
- Jiří Malíř: Antonín Okáč – Leben und Werk des Herausgebers der
- Tagebücher und Korrespondenz Egbert Belcredis 39
- Bildtafeln 65
- Tagebuchaufzeichnungen 73
- 1850 75
- 1851 91
- 1852 104
- 1853 126
- 1854 145
- 1855 156
- 1856 170
- 1857 182
- 1858 189
- 1859 193
- 1860 195
- 1862 199
- 1863 212
- 1864 223
- 1865 255
- 1866 262
- 1867 307
- 1868 339
- 1869 353
- 1870 355
- 1871 356
- 1872 367
- 1873 375
- 1874 384
- 1875 400
- 1876 449
- 1877 497
- 1878 504
- 1879 530
- 1880 565
- 1881 589
- 1882 611
- 1883 653
- 1884 700
- 1885 728
- 1886 770
- 1887 793
- 1888 838
- 1889 881
- 1890 905
- 1891 945
- 1892 979
- 1893 1016
- 1894 1042
- Anhang 1059
- Anhang 1: Promemoria Graf Egbert Belcredis: Ideen zu einer
- Reform des Adels 1059
- Anhang 2: Promemoria Egbert Belcredis [zum Vaterland] 1067
- Anhang 3: Promemoria Graf Egbert Belcredis für den Brünner
- Bischof Franz Bauer 1074
- Wiederkehrende Wörter und Wendungen 1079
- Tschechisch 1079
- Lateinisch 1081
- Ortsnamenkonkordanz 1082
- Deutsch – Tschechisch 1082
- Tschechisch – Deutsch 1086
- Literatur und Nachschlagewerke 1091
- Namensregister (Auswahl) 1115