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5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption
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5.3. Enhanced Formalism â Hanslick, Davies, Kivy und die
Kontur-Theorie
In Kap. 5.2 konnte gezeigt werden, dass Hanslicks Argument fĂŒr die âengli-
scheâ Hanslick-Rezeption schlechthin elementar war und wie analytische Phi-
losophen das kognitivistische Emotionsmodell produktiv entwickelt oder um-
sichtig umschifft hatten. Es wÀre jedoch verfehlt, Hanslicks Bedeutung nur
auf diesen Aspekt seiner Hypothese einzuengen, zumal dessen Ăsthetik von
diversen Autoren konstruktiv aufgegriffen und systematisch ausgearbeitet
wurde. Dabei ist vor allem Hanslicks Konzept der dynamischen Kongruen-
zen von GefĂŒhl und Musik wesentlich geworden, die nicht nur beifĂ€llig rezi-
piert, sondern vielmehr nachhaltig aktualisiert wurde, was weiter unten am
Beispiel von Davies und Kivy detaillierter dargestellt wird. Obwohl Hanslick
den Konnex von GefĂŒhl und Musik nach oben erörterten Varianten abgelehnt
hat, ist fĂŒr ihn doch eine zumindest mittelbare Beziehung vorstellbar: âEinen
Kreis von Ideen hingegen kann die Musik mit ihren eigensten Mitteln reich-
lichst darstellen. Dies sind unmittelbar alle diejenigen, welche auf hörbare Ver-
Ă€nderungen der Zeit, der Kraft, der Proportionen sich beziehen, also die Idee
des Anschwellenden, des Absterbenden, des Eilens, Zögerns, des kĂŒnstlerisch
Verschlungenen, des einfach Begleitendenâ (VMS, S. 45). Anders als bei be-
stimmten emotionalen Projektionen (heiter, traurig, zornig etc.), die Hanslick
als figurative Metaphorik erscheinen, kann auch âreineâ Musik mit affektiven
Adjektiven belegt werden, die auf eben jene dynamischen MusikqualitÀten zu-
rĂŒckgehen: âEs kann ferner der Ă€sthetische Ausdruck einer Musik anmuthig
genannt werden, sanft, heftig, kraftvoll, zierlich, frisch: lauter Ideen, welche
in Tonverbindungen eine entsprechende sinnliche Erscheinung finden könnenâ
(VMS, S.Â
45). Die daher allein rhetorische Fragestellung, welches spezielle Seg-
ment des menschlichen GefĂŒhlslebens musikalisch ausgedrĂŒckt werden könnte,
wird dann folgendermaĂen zusammengefasst: âNur das Dynamische derselben.
Sie vermag die Bewegung eines psychischen Vorganges nach den Momenten:
schnell, langsam, stark, schwach, steigernd [recte: steigend], fallend nachzubil-
denâ (VMS, S.Â
46).1539 FĂŒr Hanslick ist der âBegriff der Bewegungâ â der fĂŒr ihn
âder wichtigste und fruchtbarsteâ Ansatzpunkt fĂŒr den Bezug von GefĂŒhl und
1539 Diese Stelle wird mit der achten Auflage markant geĂ€ndert (âphysischâ statt âpsychischâ).
Ob, so StrauĂ, ein âspĂ€ter nicht mehr erkannterâ Druckfehler oder eine gezielte Varia-
tion Hanslicks vorliegt, bleibt offen: StrauĂ, VMS Teil 2 (wie Anm. 22), S. 99. Der Kon-
text (GefĂŒhl) macht einen Lapsus durchaus plausibel: Franz Michael Maier, âLotze und
Zimmer mann als Rezensenten von Hanslicks âVom Musikalisch-Schönenââ, in AfMw
70/3 (2013), S. 209â226, hier S. 218. Da Payzants Fassung auf der achten Auflage beruht,
liegt hier also kein âFehlerâ von ihm vor, wie Appelqvist, âKantian Ethosâ (wie Anm.Â
381),
S. 87, fÀlschlich bemÀngelt.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, MusikĂ€sthetik, Musik und GefĂŒhl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die âidealistischeâ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die âösterreichischeâ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang â Hanslicks âtönend bewegte Form[en]â 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik â Ăsthetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ăbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone MusikÀsthetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ăbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang â Hanslickâsche Rezensionen in Dwightâs Journal of Music 176
- 4. Was ist Ă€sthetischer Formalismus? â Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- AbkĂŒrzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423