Page - 183 - in Re-Reading Hanslick's Aesheticts - Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
Image of the Page - 183 -
Text of the Page - 183 -
4.1. Die Wiege des ästhetischen Formalismus? – Kants Kritik der Urteilskraft
183
(Kap. 3.4) sieht, würde Mothersills Bestimmung Gurneys Ästhetik, die eine
„direct reference to the world outside“ ablehnt,879 durchaus einfangen, die
anderen Begriffe selbige jedoch deutlich verfehlen: Gurneys Position wandelt
sich also mit der jeweiligen Explikation der Bezeichnung ‚Formalismus‘.880
Bezüglich Hanslicks VMS-Traktat hatte daher schon Sharpe richtig betont:
„In some respects Hanslick was a formalist, but what is meant here by ‚formal-
ism‘ needs spelling out.“881 Vor dieser gewiss notwendigen Präzisierung müs-
sen jedoch die wichtigsten Formalisten der anglophonen Kunsttheorie, Kant
und Bell, genauer erörtert werden, was die definitorischen Schwierigkeiten
dieses heiklen Begriffs klären sollte. Dabei wird gleichzeitig demonstriert, dass
Hanslick eine narrative Funktion für die historische Entwicklung des ästhe-
tischen Formalismus einnimmt und oft nur illustrativ verwendet wird, ohne
dass sein tatsächlicher Standpunkt angemessen eingefangen würde.
4.1. Die Wiege des ästhetischen Formalismus? – Kants Kritik der
Urteilskraft882
Wie bei der vorherigen Diskussion von Hanslicks ‚Arabeske‘ bereits gesagt
(Kap. 3.2), ist im englischen Sprachraum ein erhöhtes Interesse für die the-
oretische Verbindung von Hanslicks VMS-Traktat und Kants Kritik der Ur-
teilskraft bemerkbar, welche häufig derart erklärt wird: Hanslicks Argument
figuriert vielfach als „classical definition of formalistic aesthetics in music“,883
als „first and most influential theory of absolute music and musical formal-
ism“884 oder gar als „inaugural text in the founding of musical formalism as
a position in the philosophy of art“.885 Kants Kritik erscheint zugleich als his-
torischer Gründungstext des allgemeinen ästhetischen Formalismus: Whewell
spricht hier etwa von der „powerfully formalistic theory“ Kants,886 Kivy nennt
diesen „cradle of musical formalism“,887 für Douglas Burnham ist Kant gar der
879 Gurney, Power of Sound (wie Anm. 634), S. 60.
880 Zu Gurneys Konzept sowie dessen formalistischer Interpretation siehe vor allem: Bow-
man, „Musical ‚Formalism‘“ (wie Anm. 410), S. 48–51.
881 Sharpe, Philosophy Introduction (wie Anm. 444), S. 17.
882 Für eine kompakte Fassung des aktuellen Abschnitts vgl.: Wilfing, „Hanslick and the
Origins“ (wie Anm. 50).
883 Yoshida, „Musical Culture“ (wie Anm. 39), S. 179.
884 Grey, „Hanslick“ (wie Anm. 155), S. 360f.
885 Kivy, Ancient Quarrel (wie Anm. 5), S. 53.
886 A Companion to Aesthetics, hrsg. von David E. Cooper, Joseph Margolis und Crispin Sart-
well, Oxford/Cambridge, Mass. 1992, S. 7.
887 Peter Kivy, „Kant and the ‚Affektenlehre‘: What He Said and What I Wish He Had Said“,
in ders., Fine Art (wie Anm. 562), S. 250–264, hier S. 257.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423