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5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption
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Hypothese und die englischsprachige Musikphilosophie merkliche Unter-
schiede aufweisen, die keinesfalls übersehen werden dürfen. Welche Seiten
von Hanslicks Argument den rezenten Anliegen der analytischen Kunsttheo-
rie entsprachen und die diskursive Ausrichtung der betreffenden Diskussionen
entscheidend beeinflussten, ist nun Thema der letzten Kapitel.
5.2. Musik, Gefühl, Gedanke – das kognitivistische
Emotionskonzept
Es kann wohl kaum erstaunen, dass Hanslicks Aussagen zum Konnex von Ge-
fühl und Musik von der analytischen Musikästhetik besonders produktiv ent-
wickelt wurden. Bevor diese spezielle Richtung der Hanslick-Rezeption im
englischen Sprachraum jedoch genauer erörtert wird, sollen zuerst Hanslicks
Argumente aus den ersten beiden Kapiteln seiner ästhetischen Untersuchung
– die man als „negative thesis“ kennt – möglichst prägnant resümiert werden.
Hanslicks Ãœberblick zur emotivistischen Musikauffassung legt klar, dass zwei
Formen der musikalischen Expressivität geltend gemacht wurden und Gefühle
als (1) Inhalt und (2) Zweck von Musik galten. Eine vorwiegend funktionale
Bestimmung von Gefühl als Zweck von Musik wird prinzipiell abgewiesen,
da Schönheit ihre Bedeutung in sich selbst trage: „es ist zwar schön nur für das
Wohlgefallen eines anschauenden Subjects, aber nicht durch dasselbe“ (VMS,
S. 26). Die nur scheinbar kantische Vorstellung von Schönheit als Selbstzweck
und Hanslicks Betonung des ästhetischen Objektivismus dürften hierbei auf
Bolzano beruhen, welcher ebenso meinte: „Auch wenn es auf dem ganzen Er-
denrunde nur einen einzigen Menschen, oder auch gar keinen gäbe, also auch
wenn gar keine Mitteilbarkeit stattfände, bliebe doch das Schöne schön und das
Garstige garstig.“1393 Wie inzwischen allgemein anerkannt wird,1394 hat Hans-
und Nanette Nielsen, Music and Ethics, Aldershot/Burlington 2012; Jeff R. Warren, Music
and Ethical Responsibility, Cambridge 2014. Siehe dazu auch kurz: Berys Gaut, „Art and
Ethics“, in Gaut/Lopes, Routledge Aesthetics (wie Anm.Â
384), S.Â
341–352; Richard Eldridge,
„Aesthetics and Ethics“, in Levinson, Handbook of Aesthetics (wie Anm. 384), S. 722–732;
Noël Carroll, „Art and the Moral Realm“, in Kivy, Blackwell Aesthetics (wie Anm. 351),
S. 126–151.
1393 Bernard Bolzano, „Über den Begriff des Schönen. Eine philosophische Abhandlung“, in
Bernard Bolzano. Untersuchungen zur Grundlegung der Ästhetik, hrsg. von Dietrich Gerhar-
dus, Frankfurt 1972, S. 1–118, hier S. 81. Siehe hierzu primär: Landerer, Hanslick und Bol-
zano (wie Anm. 27).
1394 Rinderle, Expressivität (wie Anm. 674), S. 15; Nicholas Cook und Nicola Dibben, „Emo-
tion in Culture and History: Perspectives From Musicology“, in Handbook of Music and
Emotion: Theory, Research, Applications, hrsg. von Patrik N. Juslin und John A. Sloboda,
Oxford/New York 2010, S. 45–72, hier S. 50; Bonds, „Aesthetic Amputations“ (wie
Anm. 64), S. 9.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423