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III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment
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4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung
„Ich möchte was darum geben, genau zu wissen, für wen eigentlich die Taten getan worden
sind, von denen man öffentlich sagt, sie wären für das Vaterland getan worden.“
(Georg Christoph Lichtenberg)
Die Revolution von 1848 zeigte klar, welche Macht Beamte im Namen des Staates
ausüben konnten und durften, wenn es darum ging, Disziplin – vor allem im eige-
nen Apparat – herzustellen, andererseits wie viele Beamte (wie bereits ausgeführt),
auch der hohen Ränge, die Revolution mittrugen. Viele von ihnen kehrten bald,
abgeschreckt von den blutigen Ereignissen (vor allem des Oktobers 1848), ihren
hohen politischen (zumeist liberalen) Idealen den Rücken und kehrten mental wie
physisch in die dynastisch-bürokratische Ordnung zurück. Offenbar verzieh man
kenntnisreichen, verdienten Beamten der Hochbürokratie ihre liberale, zumindest
„systemuntreue“ Gesinnung, wenn sie sich letzten Endes patriotisch-kaisertreu ge-
bärdeten. Es waren anfänglich der Rebellen zu viele in diesem Lager, als dass sie alle
„gesäubert“ (so lautete der Ausdruck in den amtlichen Quellen der Zeit) hätten
werden können. Ein Beispiel ist der bereits erwähnte Peter Salzgeber, der 1848 als
Sektionschef im Innenministerium gemeinsam mit Pillersdorf mit der Ausarbei-
tung der Verfassung befasst war. Wir finden ihn noch 1848 als Beamten in der Steu-
erregulierungskommission im Finanzministerium im Rahmen seiner alten Tätig-
keit der Erstellung des Stabilen Katasters für Niederösterreich, ab 1850 wieder im
Rang eines Sektionschefs der Grundsteuerkatasterabteilung. Selbst Innenminister
Bach, der sich als politischer Konvertit sicherlich so wenig wie möglich zu exponie-
ren wünschte, scheute sich nicht, sogenannte 1848er mit wichtigen Angelegenhei-
ten seines Ministeriums zu betrauen, wie den Abgeordneten zum Frankfurter Par-
lament Joseph Lasser Ritter von Zollheim, und den Liberalen Cajetan von Mayer,
später Präsident der Oesterreichischen Credit-Anstalt, Beamte, an deren früherer
Gesinnung im Jahr 1848 kein Zweifel bestand.98 Anton Hye von Glunek, gemä-
ßigt liberales Mitglied des Juridisch-politischen Lesevereins vor 1848, war bereits
ab 1849 als Ministerialrat im Justizministerium mit der Ausarbeitung der Strafpro-
zessordnung befasst, von 1857 bis 1867 Sektionsleiter und von Juni bis Dezember
98 Zum Folgenden WALTRAUD HEINDL, Probleme der Edition. Einleitung zu DIE PROTO-
KOLLE DES ÖSTERREICHISCHEN MINISTERRATES 1848–1867 (weiterhin ÖMR.), Ab-
teilung III, Band 1: Das Ministerium Buol-Schauenstein, 14. April 1852–13. März 1853, bearbeitet
von Waltraud Heindl, mit einer Einleitung von Friedrich Engel-Janosi und Waltraud Heindl
(Wien 1975), S. XLVI f.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Josephinische Mandarine
- Subtitle
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Author
- Waltraud Heindl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 336
- Keywords
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277