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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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229 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital fen. Der ungarische Germanist István Fried kommt zu einem ähnlichen Befund: Er betrachtet das mentale Unverständnis der Einheimischen als gravierend (abge- sehen von der Tatsache, dass die österreichisch-ungarischen Beamten trotz aller ehrlichen Bemühungen Vertreter einer fremden Macht waren, somit die Fremd- herrschaft verkörperten). Das Amt erschien ihnen als abstrakt und die Verwal- tungsstrukturen unvertraut. Die Beamten aber hatten mit Gesetzen, Verordnun- gen und Erlässen einer Regierung zu kämpfen, die weit weg von Bosnien erlassen wurden und die teilweise von den Bürokraten selbst als unpassend für das Land empfunden wurden. Die Rolle des Amtes als „sorgender Vater“, als „Über-Ich“, konnte sich in der Vorstellungswelt der einheimischen Bevölkerung sehr schnell in die eines „Unterdrückungsorgans“ verwandeln, das vehement abgelehnt wurde. Einheimische Beamte, die vertrauensbildend hätten wirken können, gab es, wie erwähnt, höchstens in den niederen Rängen, ein Problem der Fremdherrschaft, die die Lage der österreichisch-ungarischen Bürokratie in Bosnien entscheidend verschärfte.449 Andererseits schließt Lejla Čampara, dass die Bosnier nicht bereit waren, ihre Söhne zum Studium nach Wien zu schicken, mit dem Argument, dass sie dort der Familie und dem eigenen Volk entfremdet würden.450 Somit blieb die Beamtengesellschaft unter sich. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung Die Freizeitgestaltung diente, abgesehen von der Entspannung, den eigenen Vor- lieben und Freuden, aber auch gesellschaftlichen Verpflichtungen und somit der Bildung von sozialen Netzwerken. Selbstverständlich richteten sich die Formen der Freizeitgestaltung nach den finanziellen Ressourcen, die zur Verfügung stan- den. Von den Essenseinladungen, Theaterbesuchen und Ausflügen an den Wo- chenenden, die bei den halbwegs im Wohlstand lebenden Bürokraten auf der Ta- gesordnung standen, war schon die Rede.451 Sie fielen der geregelten Arbeitszeit des Haushaltsvorstands wegen mehr oder weniger auf das Wochenende. Schon um die Jahrhundertmitte berichtete uns Sektionschef Gustav Höfken von Aus- flügen in den Wienerwald, die er mit der Familie an den Sonn- und Feiertagen meistens mit dem „Verschönerungs- und Vergnügungsverein“ Perchtoldsdorf 449 ISTVÁN FRIED, Der Beamte in der Literatur. In: Im Takte des Radetzkymarschs … Der Be- amte und der Offizier in der deutschsprachigen Literatur, hg. von Joseph P. Strelka (= New �orker Beiträge zur österreichischen Literaturgeschichte 1, Bern/Wien 1994), S. 43–56. 450 ČAMPARA, „Wie wir im 78er Jahr unten waren“, S. 331. 451 Siehe Kapitel „Die ‚gut-bürgerliche‘ Gesellschaft“; auch STREMA�R, Erinnerungen, S. 65
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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