Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Historische Aufzeichnungen
Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
Page - 244 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 244 - in Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich

Image of the Page - 244 -

Image of the Page - 244 - in Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich

Text of the Page - 244 -

VI. Inszenierungen 244 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse „unnachahmliche Würde“, „strenge Sachlichkeit“, „profunde Sachkenntnis“ (Alexander Spitzmüller) Pierre Bourdieu geht in seinem Werk „Die feinen Unterschiede“ eingehend auf die „Arten des Sich-Unterscheidens“ in einer Gesellschaft ein und weist auf die grund- legenden Differenzen zwischen „Luxus- und Notwendigkeitsgeschmack“495 hin. Er zeigt auf, dass das Bürgertum die Möglichkeit der Entwicklung eines Luxusge- schmacks besaß und sich mit der entsprechenden Demonstration ihrer Errungen- schaften, wie Vermögen, Bildung, Kultur, Manieren, gutem Geschmack in Kunst und Alltagsleben etc., von der Arbeiterklasse absetzte. Diese Inszenierungen hatten, wie Bourdieu sagt, „Herrschaftseffekte“ zur Folge. Aus dieser Bourdieu’schen Per- spektive wurden die Texte der privaten Beamtenaufzeichnungen von mir gelesen. Die Gruppe der bürokratischen Eliten hatte es viel schwieriger als heute durch Inszenierungen ein gewisses öffentliches Image aufzubauen. Den Beamten fehlte die Breitenwirkung moderner Massenmedien. Auch die Zeitungen kamen nicht infrage, da ein kaiserlicher Beamter sich unmöglich öffentlicher Medien zwecks Selbstdarstellung bedienen konnte. Es hätte gegen die dem Beamten auferlegte Diskretion verstoßen. Was ihnen blieb, war Memoiren zu verfassen. „Erinnerun- gen“, „Denkwürdigkeiten“, „Memoiren“ und „Autobiografien“ ermöglichten es ihnen, sich und ihren Stand nach ihrer Amtszeit „ins rechte Licht“ zu setzen. Wir besitzen nicht wenige publizierte sowie unpublizierte autobiografische Aufzeich- nungen, aber auch in diesen war – wie schon ausgeführt – Amtsverschwiegenheit zu wahren, die bis zum Tod und darüber hinaus vom Beamten verlangt wurde. Die Aussagen in Selbstzeugnissen sind bekanntlich mit großer Vorsicht zu behan- deln. Erinnerungen sind selektiv, können auf Irrtümern beruhen, bewusste Lügen einbauen – unseren Verdächtigungen sind diesbezüglich keine Grenzen gesetzt!496 Doch erzählen uns diese Selbstdarstellungen vom Image, das Beamte von sich ver- breiten wollten, ob dieses in der Realität nun stimmte oder nicht, ob sie bewusst oder unbewusst logen oder die Wahrheit sprachen. Die Selbstzeugnisse, Memoi- ren, Autobiografien, Tagebücher und Briefe vermitteln uns das Idealbild und den Wertekatalog, dem Beamte entsprechen wollten, auch wenn sie im Geheimen 495 BOURDIEU, Die feinen Unterschiede, S. 298 ff., auch 585–619. 496 Siehe auch Kapitel „Die zwei Realitäten der Bürokratie“. Zur Beurteilung von Selbstzeugnissen ECKHART HENNING, Selbstzeugnisse. Quellenwert und Quellenkritik (Berlin 2012).
back to the  book Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich"
Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Josephinische Mandarine