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2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede
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rium konsequenterweise, dass selbst Kunstwerke, die vom Staat angekauft wur-
den, keinesfalls dazu da seien, die Amtsräume von Beamten zu dekorieren. Eine
freundlichere Gestaltung des Arbeitsraumes der Beamten war kein Thema für das
Ministerium. Davon erzählen etwa dessen abweisende Bescheide an Ämter, die
angekaufte Bilder zur Ausschmückung von Amtsräumen in Bezirksämtern oder
Statthaltereien beanspruchten. Sie gehörten, so wurde argumentiert, der Öffent-
lichkeit und nicht den Beamten und müssten damit der Öffentlichkeit in Samm-
lungen zugänglich gemacht werden.322 Die Begründung ist nicht von der Hand
zu weisen. Trotzdem ist der Meinung des zitierten Friedländer nichts entgegenzu-
halten, dass der ärarische Stil einerseits dem Geschmack so mancher Bürokraten,
die durch ihren privaten Lebensstil kulturell verwöhnt waren, nicht entsprach323
und dass die Amtsräume von ihren Benützern mitunter als ausgesprochen hässlich
angesehen wurden, in die man nicht gerne ging. Andererseits wurden aber auch
die prunkvollen Räume, in denen manche arbeiteten, als harter Gegensatz zum
mitunter gar nicht glanzvollen Heim, in das man am Abend zurückkehrte (und
von dem noch die Rede sein wird), empfunden.324
Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten
Die Erledigung von Akten ging auf den „Geschäftsstyl“ des Hofrats von Sonnen-
fels (1784) zurück, die Kompetenzverteilung auf die Bach’schen Reformen nach
der Revolution von 1848.325 Üblicherweise achteten die einzelnen Behörden sorg-
sam und eifersüchtig auf die Einhaltung ihrer Kompetenzen, die ihnen ein gerüt-
telt Maß an Macht und Einfluss verliehen.
322 So in einem Schreiben des Präsidiums der Statthalterei in Krakau vom 2. Mai 1906 an die Be-
zirkshauptmannschaft in Krakau, die ein in Galizien erworbenes Kunstwerk zur Ausschmü-
ckung der Amtsräume verwenden wollte, zit. von Van HEERDE, Staat und Kunst, S. 117.
323 Zum Folgenden FRIEDLÄNDER, Letzter Glanz der Märchenstadt, S. 71.
324 ZELGER, Das ist alles viel komplizierter, S. 274 f., bringt eine Reihe von Beispielen bezüglich
des kontrastreichen Erlebens von Amtsräumen einerseits und privaten Haushalten andererseits.
325 JOSEPH von SONNENFELS, Über den Geschäftsstyl. Die ersten Grundlagen für angehende
österreichische Kanzleybeamte. Zum Gebrauche der öffentlichen Vorlesung. Nebst einem An-
hange von Registraturen (Wien 41820); vgl. HEINDL, Gehorsame Rebellen, S. 115 f.; zu den
weitreichenden kulturellen Folgen dieses Buches LESLIE BODI, Sprachregelung als Kulturge-
schichte. Sonnenfels: Über den Geschäftsstil (1784) und die Ausbildung der österreichischen
Mentalität. In: Leslie Bodi, Literatur, Politik, Identität – Literature, Politics, Cultural Identity
(St. Ingbert 2002), S. 339–362, zu Bachs Reform Kapitel „Neue Strukturen und Arbeitsfelder“.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Josephinische Mandarine
- Subtitle
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Author
- Waltraud Heindl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 336
- Keywords
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277