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34 | Kommunen im Klimawandel
den Fall der Verdopplung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre einen Tempe-
raturanstieg von vier bis sechs Grad Celsius voraus. Damals wurde eine mögliche
Erderwärmung jedoch noch als durchweg positiv bewertet, da so neue Eiszeiten ver-
hindert würden (siehe u.a. Arrhenius 1896; Callendar 1938). Ende der 1930er Jahre
schließlich wertet Guy Callendar (1938) Temperaturdaten der letzten 50 Jahre von
200 meteorologischen Stationen aus und stellt eine statistisch signifikante globale
jährliche Erwärmungsrate von 0,005 Grad Celsius fest, die nicht allein auf eine na-
türliche Klimafluktuation zurückzuführen sei. 1941 beschreibt Herrmann Flohn
(1941) ganz explizit „[d]ie Tätigkeit des Menschen als Klimafaktor“ und warnt be-
reits vor den unvorhersehbaren Folgen: „Damit wird aber die Tätigkeit des Menschen
zur Ursache einer erdumspannenden Klimaänderung, deren zukünftige Bedeutung
niemand ahnen kann.“ In den 1950er Jahren kommen erstmals Computer und in den
1960er Jahren auch Satelliten zur Berechnung der zu erwartenden Erderwärmung
zum Einsatz. Bereits zu diesem Zeitpunkt sagt man durch die steigenden CO2-Emis-
sionen einen Anstieg der mittleren Temperatur um ein Grad Celsius voraus, der mit
dem Abschmelzen des Grönlandeises und der arktischen Eisfelder einhergehe, was
zu einem Meeresspiegelanstieg von bis zu 50m führen könne (Thompson und
O’Brien 1966). Da die globalen Durchschnittstemperaturen bis Mitte der 1970er
Jahre jedoch fielen und nicht stiegen, herrschte weiter Skepsis und Uneinigkeit in der
Klimaforschung.
Auf Initiative des Klimaforschers Herrmann Flohn und des Geophysikers und
Wissenschaftsberaters der US-Regierung Frank Press wurde 1979 die erste Weltkli-
makonferenz einberufen, um durch ein Expertengremium Klarheit über die Bedro-
hungen durch einen Klimawandel zu erlangen. Erst mit dieser ersten Weltklimakon-
ferenz in Genf, der Veröffentlichung des Brundtland-Berichts4 (1987) und schließ-
lich der Gründung des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) im Jahr
1988 wurde der Klimawandel mit seinen atmosphärischen Prozessen von einem rein
wissenschaftlichen Objekt auch zu einem politisch anerkannten sozialen Problem.
„From 1988 onwards, the problem of climate change has been constructed as a risk caused by
excessive human greenhouse gas emissions that requires humanity to reduce emissions to a
tolerable level that science is to define. […] the IPCC was charged with defining the problem
of climate change, clarifying if climate change was real and already happening […] and deter-
mining whether it was caused by human activity […]. The nature of the problem definition
4 Im Jahr 1983 gründeten die UN die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung. Ihr
Auftrag war die Erstellung eines Perspektivberichts zu langfristig tragfähiger, umweltscho-
nender Entwicklung im Weltmaßstab bis zum Jahr 2000 und darüber hinaus. Die Kommis-
sion veröffentlichte 1987 den Brundtland-Bericht „Unsere gemeinsame Zukunft“, der die
internationale Debatte über Entwicklungs- und Umweltpolitik maßgeblich beeinflusste.
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Title
- Kommunen im Klimawandel
- Subtitle
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Author
- Nanja Nagorny-Koring
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Size
- 15.4 x 23.0 cm
- Pages
- 324
- Categories
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Table of contents
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315