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Kommunen im Klimawandel | 55
kulturelle, soziale und wirtschaftliche Weiterentwicklung sowie für die Erhöhung
von Ressourcen- und Energieeffizienz angesehen (WBGU 2016). Der Fokus auf die
Stadt war schon in der Initiierungsphase der Reskalierung der Klimapolitik, bspw. im
Brundtland-Bericht, angelegt und etablierte sich gleichzeitig mit der ersten Wachs-
tumsphase des Klimathemas um 2007 als Megatrend (vgl. Tabelle 1). Der Grund da-
für liegt nicht nur darin, dass seit dieser Zeit die Mehrheit der Weltbevölkerung in
urbanen Räumen lebt, sondern erklärt sich unter anderem auch mit dem Glauben da-
ran, dass in Städten viele soziale, wirtschaftliche, kulturelle und technische Innovati-
onen ihren Ausgangspunkt haben (Vettoretto 2009; Nevens et al. 2013). Städte wer-
den weltweit als Spitzenreiter aufgefasst oder auch als „Experimentierfelder“ neuer
Politiken und Maßnahmen, die weit ambitionierter sind, als es Nationalstaaten sein
können oder wollen (Bulkeley und Castán Broto 2013; Castán Broto und Bulkeley
2013; McGuirk et al. 2014b; Bulkeley et al. 2015).
Doch es gibt zwei Seiten dieser Medaille: Urbane Prozesse werden sowohl als
Auslöser von zahlreichen, aktuellen Problemen – von Klimawandel bis Fettleibigkeit
und von Finanzkrise bis zu sozialer Ausgrenzung – als auch als Schlüssel zur Lösung
eben dieser Probleme angesehen. Auf der einen Seite werden städtische Aktivitäten
somit als Quell von Risiken, Krisen und Gefahren identifiziert; bspw. in Argumenten
zu den städtischen Wurzeln der globalen Finanzkrise von 2008 oder in Diskursen
über den negativen Umwelteinfluss anhaltender Urbanisierungsprozesse weltweit.
Auf der anderen Seite werden kommunale Institutionen, Infrastrukturen und Interes-
sensvertretungen aber auch als besonders befähigte Organe angesehen, um diesen
multiplen Herausforderungen kreativ begegnen zu können; bspw. durch experimen-
telle Raumplanung, Transition Town-Bewegungen, kommunale Klimainitiativen o-
der technologische Smart City-Lösungen, um komplexe urbane Interaktionen effizi-
enter zu überwachen und zu managen. Kurz gesagt gibt es eine Reihe an Argumen-
tationen, die spezifische Probleme städtischen Ursachen zuschreiben und urbane
Praktiken gleichzeitig als geeignet propagieren, passende Lösungsoptionen zu entwi-
ckeln (Barnett 2013). Städte werden dadurch zu Motoren der Transformation stili-
siert. Nevens und Kollegen (2013: 111) fassen zusammen: „As such, cities are the
locations where most of the (un)sustainability issues find their origin. At the same
time, cities are the basic units for policies that have significant environmentally ben-
eficial consequences (both local and global) […].“
Dabei findet eine Problematisierung der Stadt als Schlüssel zum Gelingen der
Transformation auf allen Ebenen statt: Auf der Makroebene wird Urbanisierung als
Megatrend des globalen Wandels identifiziert, der zu tiefgreifenden Veränderung in
Weltgesellschaft und -wirtschaft sowie dem gesamten Erdsystem führen wird. Auf
der Mesoebene gelten Bereiche der Stadtentwicklung wie Mobilität, gebaute Um-
welt, Energieproduktion und -versorgung, Infrastruktur usw. als zentrale Handlungs-
felder mit signifikanten Hebelwirkungen für eine urbane Transformation zur Nach-
haltigkeit. Auf der Mikroebene bietet die Stadt Raum für innovative Pilotprojekte
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Title
- Kommunen im Klimawandel
- Subtitle
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Author
- Nanja Nagorny-Koring
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Size
- 15.4 x 23.0 cm
- Pages
- 324
- Categories
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Table of contents
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315