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Den guten Praktiken auf der Spur | 77
Es besteht also weitgehend Einigkeit darüber, dass – wenn sich eine besonders gute
oder erfolgreiche Praktik (im Unternehmen oder der Verwaltung) gefunden hat –, es
Sinn macht, diese zu verbreiten und zu kopieren. Speziell für Kommunen bedeutet
das, dass die Behörde auf der Suche nach Lösungen für ein spezifisches Problem auf
bereits existierende Maßnahmen anderer Kommunen zurückgreifen sollte, um aus
diesen zu lernen oder diese direkt zu übernehmen. So soll vermieden werden, das
Rad ständig neu zu erfinden, sowie Kosten und Arbeitszeit eingespart werden, die für
eine von Grund auf neue Entwicklung einer eigenen Lösung erforderlich gewesen
wären (Brannan et al. 2008). Die Popularität einer Steuerungstechnik wie der Best
Practice-Methodik wird von der risiko-aversen Natur des öffentlichen Sektors und
dem gleichzeitigen Druck der kontinuierlichen Verbesserung befördert, sodass die
Anpassung und Übernahme von bewährten Maßnahmen gegenüber dem Experimen-
tieren mit neuen Ideen bevorzugt wird. Regieren durch Best Practices heißt also auch
Wissensausbeutung statt Exploration neuen Wissens (Ammons und Roenigk 2014).
Nach der Prüfung verschiedener Definitionsversuche bleibt jedoch weiterhin un-
klar, was genau für Praktiken, Prozeduren und Lösungen hier gemeint sind, die als
Best Practice bezeichnet werden. Im Rahmen dieser Arbeit sind damit konkrete tech-
nische, regulatorische, strategische, informative, finanzielle oder restrukturierende
(Einzel-)Maßnahmen gemeint, die Kommunen umsetzen, um ihre Klimaschutzziele
zu erreichen. Bei diesen Maßnahmen handelt es sich explizit nicht um allgemein ak-
zeptierte Methoden wie interkommunale Vernetzung, CO2-Bilanzierung, die Einfüh-
rung von Projektmanagementmethoden oder Beteiligungsverfahren, die auch als Best
Practice im kommunalen Klimaschutz bezeichnet werden können. Gemeint sind hier
indes die meist von externen Akteuren (z.B. TMNs, Forschungsinstituten, Beratungs-
unternehmen oder Ministerien und deren untergeordneten Behörden) identifizierten
Beispielprojekte, die als vorbildlich bewertet und daher als Best Practice kommuni-
ziert wurden mit dem ausdrücklichen Ziel der Nachahmung durch andere Kommu-
nen. Oft haben diese Beispielmaßnahmen ein innovatives oder kreatives Moment, es
gibt aber auch Best Practice-Beispiele, die sich bereits als Standard etabliert haben.
Beispiele sogenannter Best Practices aus dem Bereich des kommunalen Klima-
schutzes sind etwa die Sanierung der Innenbeleuchtung von öffentlichen Einrichtun-
gen (wie z.B. Schulen, Rathäusern oder Schwimmbädern), der Austausch von Hei-
zungsumwälzpumpen in Einfamilienhäusern oder die „Stadtradeln-Kampagne“4 des
Klima-Bündnisses zur Radverkehrsförderung. Die Varianz reicht dabei von rein tech-
nischen Maßnahmen (z.B. die Inbetriebnahme eines geothermischen Heizkraftwerks
oder die Umrüstung der Beleuchtung auf LED), über sozio-technische Interventionen
4 Weiterführende Informationen: www.stadtradeln.de
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Title
- Kommunen im Klimawandel
- Subtitle
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Author
- Nanja Nagorny-Koring
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Size
- 15.4 x 23.0 cm
- Pages
- 324
- Categories
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Table of contents
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315