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Kommunen im Klimawandel - Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
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Page - 93 - in Kommunen im Klimawandel - Best Practices als Chance zur grünen Transformation?

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Den guten Praktiken auf der Spur | 93 Widerspruch zu den eigentlichen Grundsätzen der GTM stehen. Dahingehend erwei- sen sich die Arbeiten von Charmaz (2000, 2005, 2006) als sinnvoll, da sie zwischen einer sogenannten „objektivistischen“ GTM, wie sie insbesondere von Glaser propa- giert wird, und einer „konstruktivistischen“ GTM unterscheidet. Damit stellt sich Charmaz gegen die Vorstellung, es sei möglich, durch neutrale, unvoreingenommene Beobachtung eine „Wahrheit“ in einer äußeren Wirklichkeit zu entdecken. Sie betont stattdessen die Positionalität des forschenden Beobachters und stellt damit die Exakt- heit von Beobachtungen und die „Wahrheit“ von Interviewaussagen in Frage. Statt- dessen definiert Charmaz (2011) „Wahrheit“ als „ortsgebunden, relativ, historisch, situativ und kontextuell“. Für problematisch erachte ich außerdem die umstrittene Rolle theoretischen Vor- wissens und die Verwendung von Literatur in der GTM. Einerseits bedarf es laut Vertretern der GTM einer großen „theoretischen Sensibilität“, das heißt, „[der] Fä- higkeit […] zu konzeptualisieren und zu organisieren, abstrakte Bezüge herzustellen, zu visualisieren und multivariat zu denken“ (Glaser 2011: 148), um überhaupt in der Lage zu sein, relevante Phänomene in den Daten zu identifizieren. Andererseits wird die Idee gestärkt, der Forschende solle sich seinem Feld möglichst ohne theoretisches Vorwissen nähern, damit den Daten kein theoretisches Konzept „aufgezwungen“ werde und so die Analyse zu sehr beeinflusst würde. „Eine umfassende Sichtung ver- fügbarer Literatur vor der Emergenz einer Kernkategorie“ missachtet laut Glaser (2011: 149) „die grundlegende Prämisse der GTM, die lautet, dass Theorie aus den Daten emergieren und nicht aus bestehender Theorie abgeleitet werden soll“. Ich halte diese Perspektive für falsch und orientiere mich hier stattdessen an Strübing (2008), der dagegenhält, dass Konzepte und Kategorien zur Genese von Erklärungs- mustern nicht einfach aus den Daten emergieren, sondern in einem aktiven und kre- ativen Prozess vom Forschenden durch die abduktive9 Neuschöpfung von Bedeutun- gen und Zusammenhängen erzeugt werden. Dazu müssen im Sinne einer theoreti- schen Sensibilität von Beginn an möglichst viele verschiedene theoretische Perspek- tiven miteinbezogen und befragt werden. Erklärungsansätze entstehen dann aus den Beziehungen zwischen den vom Forschenden erzeugten Konzepten immer in Bezug auf die bestehende(n) theoretische(n) Perspektive(n). Die Genese von Erklärungs- mustern beruht damit nicht allein auf der Datenanalyse, sondern bezieht theoretisches Vorwissen explizit mit ein (Strübing 2008). Mit dem Offenheitsprinzip der GTM kann daher keine „absolute Offenheit“ im Sinne einer Tabula rasa-Voraussetzung gemeint sein, da eine präkonzeptfreie Erkenntnis prinzipiell nicht möglich ist. Es kann somit lediglich auf eine „relative“ und „reflektierte Offenheit“ verweisen, wo- bei wir uns als Handelnde, Erkennende und Forschende darum bemühen, unsere 9 „[…] abduction refers to an inferential creative process of producing new hypotheses and theories based on surprising research evidence“ (Timmermans und Tavory 2012: 170).
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Kommunen im Klimawandel Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
Title
Kommunen im Klimawandel
Subtitle
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
Author
Nanja Nagorny-Koring
Publisher
transcript Verlag
Location
Bielefeld
Date
2018
Language
German
License
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-8394-4627-0
Size
15.4 x 23.0 cm
Pages
324
Categories
Naturwissenschaften Umwelt und Klima

Table of contents

  1. Danksagung 9
  2. Das Prinzip der Nachahmung 11
  3. Forschungslücke und Fragestellung 16
  4. Aufbau der Arbeit 21
  5. Kommunen im Klimawandel 25
  6. Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
  7. Klimawandel als Politikproblem 32
  8. Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
  9. Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
  10. Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
  11. Klimawandel als ökonomisches Problem 61
  12. Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
  13. Den guten Praktiken auf der Spur 71
  14. Begriffsgeschichte und Definition 73
  15. Kritik und Positionalität 78
  16. Best Practice-Forschung 82
  17. Projektdesign 90
  18. Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
  19. Gouvernementalität 116
  20. Klima-Gouvernementalität 126
  21. Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
  22. New Public Climate Management 141
  23. Politische Rationalitäten 142
  24. Klima\Wandel ist regierbar 145
  25. Politische Programme 162
  26. Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
  27. Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
  28. Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
  29. Best Climate Practices 189
  30. Rationalitäten und Technologien 191
  31. „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
  32. „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
  33. Reflexion 227
  34. „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
  35. Zur Performativität von Best Practices 239
  36. Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
  37. Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
  38. Literatur 275
  39. Anhang 315
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