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124 | Kommunen im Klimawandel
Als analytische Perspektive ist Gouvernementalität weder als eine Theorie der
Macht, der Autorität oder der Governance, noch als historisch und räumlich klar iden-
tifizierbares Phänomen zu verstehen. Stattdessen handelt es sich um eine spezifische
Art der Fragestellung zu unterschiedlichen Ereignissen, die zu erklären und zu ver-
stehen sind. Antworten auf Fragen wie: wer oder was regiert wird, warum etwas re-
giert wird, wie es regiert wird, nach welchen Logiken regiert wird, mithilfe welcher
Techniken und mit welchem Ziel regiert wird, können nur durch empirische Unter-
suchungen präzise beantwortet werden (Rose et al. 2006).
Insbesondere Dean (1999) überführte die Vorteile einer Gouvernementalitätsper-
spektive in eine „Analytik der Regierung“, die zu einem prominenten Ansatz der
Gouvernementalitätsforschung geworden ist. Eine solche Analyse befasst sich mit
den Regierungsakteuren, den Wissensformen, den verwendeten Techniken und (kal-
kulativen) Methoden der Regierung, dem Phänomen, das es zu regieren gilt, und wie
dieses wahrgenommen wird sowie mit den angestrebten Regierungszielen, den Er-
gebnissen und Konsequenzen von Regierungshandeln. Besonderer Aufmerksamkeit
wird dabei jenen Praktiken zuteil, mittels derer versucht wird, die Entscheidungen,
Wünsche, Bestrebungen, Bedürfnisse und Lebensstile von Individuen oder Gruppen
zu gestalten, zu formen und zu mobilisieren. Fragen von Regierung, Politik und Ver-
waltung werden so zu Fragen menschlich-körperlicher Tätigkeiten (= Praktiken, vgl.
Abschnitt #Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“) (Dean 1999: 11f.). Neben
Praktiken spielen – wie vom Gouvernementalitätskonzept ausgehend zu erwarten –
Denkweisen eine zentrale Rolle in der Regierungsanalytik. Untersucht wird dabei
jenes Denken, das in (politischen) Programmen zur Lenkung oder Änderung des Ver-
haltens festgehalten ist. Eine Auseinandersetzung mit Denkweisen erfolgt also nur
insofern, als diese eingebettet und verbunden sind mit Techniken zur konkreten
(Um-)Gestaltung von Verhaltensweisen, Praktiken und/oder Institutionen. Regie-
rungsrationalitäten zu analysieren heißt in diesem Zusammenhang also, Denkweisen
zu analysieren, die ins Praktische und/oder Technische übersetzt wurden (Dean 1999:
18). Eine Analytik der Regierung untersucht damit in erster Linie Regierungsprakti-
ken und ihre komplexen und variablen Beziehungen zu wiederum jenen heterogenen
sozialen, kulturellen und politischen Praktiken, die eine spezifische „Wahrheit“ her-
vorbringen. Wahrheit betrifft hier die Frage, nach welchen Ansichten (wer wir sind
und welche Aspekte unserer Existenz ein Eingreifen mit welchen Mitteln und wel-
chem Ziel erfordern), die wir als wahr empfinden, wir uns selbst und andere lenken.
Gleichzeitig entstehen durch eben diese Art und Weise, wie wir andere und uns selbst
regieren, neue, verschiedene Wege der Wahrheitsproduktion.
Zur Analyse dieser Macht-Wissen-Komplexe, die sich in Praxisregimen artiku-
lieren, schlägt Dean (1999: 30f.) vier zentrale Untersuchungskategorien vor: (1) Wis-
sensformen, (2) Handlungsweisen (Techniken und Praktiken), (3) Formen der Sicht-
barkeit und (4) Identitäten/Subjekte.
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Title
- Kommunen im Klimawandel
- Subtitle
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Author
- Nanja Nagorny-Koring
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Size
- 15.4 x 23.0 cm
- Pages
- 324
- Categories
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Table of contents
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315