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130 | Kommunen im Klimawandel
4. Eine Reihe an Studien, die sich durch eine diskurstheoretische Auseinander-
setzung mit Klimawandel als Regierungsobjekt auszeichnen. Bäckstrand und
Lövbrand (2006) setzen sich kritisch mit der politischen Rhetorik zur Treib-
hausgasminderung durch Aufforstung auseinander, die im Kyoto-Protokoll
durch den Clean Development-Mechanismus verankert wurde. Methmann
(2010) hingegen arbeitet diskurstheoretisch heraus, wie sich Klimaschutz in-
ternational zwar als ein wichtiges Politikziel etablierte, aber inhaltlich nur zu
wenigen Veränderungen führte und dass außerdem kaum tatsächliche Effekte
beobachtbar sind. Klimaschutz wird daher von Methmann (2010) als „Empty
Signifier“ kritisiert. Mattissek und Sturm (2016, 2017; Sturm und Mattissek
2018) befassen sich diskurstheoretisch mit der Diskrepanz zwischen politi-
scher Rhetorik und tatsächlich stattfindendem Regierungshandeln. Dabei ver-
gleichen sie Prozesse in den Städten Münster und Dresden. Sie kommen zu
dem Schluss, dass nationale Klimaziele und -strategien nicht einfach über-
nommen, sondern in lokalen Aushandlungsprozessen neu verhandelt, trans-
formiert und angepasst werden.
Auch wenn sich die meisten dieser Arbeiten nicht vollkommen einseitig nur auf Ra-
tionalitäten, Technologien oder Subjektformationen beziehen, kann man doch fest-
stellen, dass ein systematisches Zusammendenken der Regierungstechnologien sowie
ihrer Wissensformen und Rationalitäten, die sie mit hervorbringen und auf die sie
angewiesen sind, noch am Anfang steht (Lövbrand und Stripple 2014). Neuere Ar-
beiten, wie z.B. der Sammelband von Stripple und Bulkeley (2014b), versuchen da-
her verstärkt, diese Lücke zu schließen. Ein weiteres Beispiel in dieser Richtung ist
auch ein Artikel von Braun (2014): Mithilfe des Foucault’schen Dispositiv-Begriffs
zeigt er zum einen, wie sich Klimaschutz als eine neue Form der städtischen Regie-
rungsführung etablierte, die sich als ein Set aus spezifischen Diskursen, Praktiken,
baulichen Strukturen, Regulierungen, Gesetzen und Wissen artikuliert. Zum anderen
verdeutlicht er am Beispiel von zwei konkreten Regierungstechniken – der Einfüh-
rung eines Tools zur Messung des Echtzeit-Kraftstoffverbrauchs in PKWs und der
visuellen Darstellung von infrastrukturellen Klimawandelanpassungsmaßnahmen in
Manhattan, NYC –, wie sich städtische Regierungsführung in Zeiten des Klimawan-
dels verändert. So zeichnet er ein Bild von Regierung, die von einem singulären Sys-
tem mit einer einheitlichen Rationalität weit entfernt ist. In seiner Darstellung der
sich verändernden Regierungsrationalität bleibt er jedoch relativ vage und hebt le-
diglich zwei Beobachtungen hervor: Erstens zielten Regierungsweisen heutzutage
vermehrt auf das Steuern des urbanen Lebens ab (vgl. auch Kapitel #Die Stadt als
Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem) und zweitens gehe damit
eine signifikante Veränderung in den angewandten Regierungstechniken einher.
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Title
- Kommunen im Klimawandel
- Subtitle
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Author
- Nanja Nagorny-Koring
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Size
- 15.4 x 23.0 cm
- Pages
- 324
- Categories
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Table of contents
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315