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Best Climate Practices | 195
„Es ist nicht so, dass wir das machen [mit Best Practices zu arbeiten], um unglaublich abzukür-
zen […], vielleicht eher, um den eigenen Horizont zu erweitern, also um Ideen zu finden und
vor allen Dingen auf Vorerfahrungen zurückzugreifen, was wirklich funktioniert, dass man sich
nicht in falsche Richtungen bewegt und dadurch vielleicht Geld verliert oder sich unglaublich
anstrengt. Wir haben ja bestimmte Ziele, […] die wir erreichen wollen und haben dann eigent-
lich tatsächlich keine Zeit, uns erst in falsche Richtungen zu bewegen und ich glaube, da hilft
es schon, von anderen zu lernen, was funktioniert hat […] und dadurch dann letztlich möglichst
effizient zu arbeiten mit der schmalen Zeit, die wir dann im Endeffekt ja doch haben. Wenn
wir nur drei Jahre haben und uns erst lange damit beschäftigen: Was machen wir überhaupt?
Was könnte überhaupt interessant werden? Dann sind Best Practices tatsächlich ein Beschleu-
niger, wenn wir uns von anderen was abgucken oder eben mit anderen austauschen und die
Irrwege versuchen zu minimieren, so würde ich mal sagen. […] Also es ist letztlich dann eine
Frage der Effizienznutzung von Ressourcen.“ (IK-20, 2017: 30)
Doch schon in dieser Aussage zeigen sich erste Widersprüche: Laut der Masterplan-
managerin geht es nicht in erster Linie um Abkürzung und Beschleunigung, sondern
um Ideen und Vorerfahrungen. Dann betont sie aber doch wieder die Effizienzstei-
gerung durch Zeit- und Geldersparnis mittels Best Practices. Was die Befragte hier
genau unter „Best Practice“ versteht, bleibt unklar. Dabei ist dieses Beispiel kein
Einzelfall: Meine Gesprächspartner verstehen unter „Best Practice“ teilweise recht
unterschiedliche oder gar konträre Sachverhalte. Bereits im Kapitel #Begriffsge-
schichte und Definition bin ich von konzeptioneller Seite her auf die begriffliche Un-
schärfe in Bezug auf Best Practices eingegangen. Doch auch auf der Anwendungs-
ebene innerhalb des Praxisregimes „kommunaler Klimaschutz“ lässt sich ein Mangel
an begrifflicher Klarheit feststellen. Vergleicht man die Aussagen der 39 Befragten,
werden implizit drei unterschiedliche, zum Teil sogar widersprüchliche Dimensionen
im anwendungsbezogenen Best Practice-Begriff deutlich, die von den jeweiligen
Akteuren häufig nicht explizit artikuliert werden. Aus den Antworten der Gesprächs-
partner auf die Frage, was „Best Practice“ für sie oder ihn konkret bedeutet, lässt sich
folgende Differenzierung ableiten:
1. Best Practice als gutes Praxisbeispiel: Sehr häufig werden mit Best Practices
einfach „erfolgreiche“ Praxisbeispiele assoziiert. Dabei handelt es sich um ein
klar abgrenzbares und zielgerichtetes Projekt (eindeutige Zielgruppe; trägt zur
Erreichung der gesteckten Klimaziele bei), welches nachweisbar funktioniert
und relativ einfach umsetzbar ist. Die verbreiteten Lösungen sind marktreif
bzw. wirtschaftlich sowie gesellschaftspolitisch etabliert bzw. akzeptiert. Pra-
xisbeispiele sind kontextspezifisch, das heißt generell nicht eins zu eins ko-
pierbar, aber übertragbar bzw. an neue Kontexte anpassbar. Hauptzweck gu-
ter Praxisbeispiele ist die Vermittlung von Erfahrungs- oder Prozesswissen,
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Title
- Kommunen im Klimawandel
- Subtitle
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Author
- Nanja Nagorny-Koring
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Size
- 15.4 x 23.0 cm
- Pages
- 324
- Categories
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Table of contents
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315