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206 | Kommunen im Klimawandel
Der Entstehungsprozess von Best Practices bewegt sich damit in einer intransparen-
ten Grauzone. Es gibt weder im Rahmen von Wettbewerben noch in der Arbeit von
Städtenetzwerken, Forschungsinstituten oder Beratungsunternehmen ein allgemeines
Indikatorenset, nach dem Maßnahmen beurteilt werden. Den Best Practices für eine
klimaneutrale Stadtentwicklung fehlen meist explizite, ganzheitliche Bewertungen.
Daher ist es schwierig, im Fall von Best Practices eindeutig zwischen tatsächlichen
Ergebnissen und politischen Aussagen zu unterscheiden (Mössner 2016), wie auch
eine Masterplanmanagerin kritisiert:
„Ich würde jetzt einfach mal behaupten, […] da gibt es gar keine echten Kriterien, sondern […]
die verschiedensten Gremien, die sagen: Oh das ist jetzt ein Best Practice! Und das hängt oft
damit zusammen, ob die Darstellung gut ist und es alles schön bunt ist, dann beeindruckt das,
und wenn dann noch dabei steht, man hat tausend Leute erreicht, dann beeindruckt das noch
mehr und es wird gar nicht die Qualität nachgefragt oder dafür gibt es einfach zu wenig Krite-
rien.“ (IK-19, 2017: 46)
Daher sind viele Klimaschutzmanager Best Practice-Beispielen gegenüber kritisch
eingestellt, da sie zum einen der Meinung sind, dass die Entscheider über oder Pro-
duzenten von Best Practices – z.B. Veranstaltungsorganisatoren, Herausgeber von
Publikationen oder Fördermittelgeber – die Beispiele oftmals nur schlecht beurteilen
können, da sie in der Regel praxisfern angesiedelt sind und sich mit den Abläufen
und Herausforderungen in Kommunen nur eingeschränkt auskennen (IK-18, 2017).
Zum anderen ließen sich die Best Practice-Produzenten zu oft von dem „schönen
Schein“ bzw. der Außenwirkung einzelner Maßnahmen blenden, da es keine objek-
tive Entscheidungsgrundlage gäbe, wie ein Mitarbeiter des Energiereferats einer
MPK erklärt:
„Also zum einen hat es sehr viel mit Zufall zu tun: Wer ist wann an welchem Ort? Wirklich
Zufälle und unheimlich viel macht die Kommunikation aus. Also ich wäre ganz, ganz kritisch,
diese These zu unterschreiben, das sind wirklich die „besten“ Praktiken, die sich verbreiten,
sondern es sind die, die am besten kommuniziert werden. [M]an erhöht natürlich die Wahr-
scheinlichkeit, dass sich was verbreitet, indem man auf möglichst vielen Events auftaucht, das
präsentiert, das probiert über die Städtenetzwerke zu streuen, und dann glaube ich ist noch ein
wesentlicher Aspekt, dass es öffentlichkeitswirksam ist […], weil im Endeffekt geht’s unheim-
lich viel auch um Stadtmarketing und das, was man nach außen kommunizieren kann. Es sind
also eher diese Dinge und bei weitem nicht die, das müsste man definieren, was sind wirklich
die besten, aber in Hinsicht auf CO2-Einsparung etc. würde ich jetzt nicht sagen, dass es da die
besten Praktiken sind, die sich verbreiten. Und wieder halt Personen. Also irgendwie Zufall,
Kommunikation, und diese Personen, an denen natürlich wieder ein Netzwerk dran hängt, und
denen dann auch Vertrauen geschenkt wird, die charismatisch sind und die vielleicht auch Ein-
fluss auf verschiedenen Ebenen haben, um das noch weiter zu streuen.“ (IK-15, 2016: 25)
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Title
- Kommunen im Klimawandel
- Subtitle
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Author
- Nanja Nagorny-Koring
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Size
- 15.4 x 23.0 cm
- Pages
- 324
- Categories
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Table of contents
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315