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„Best Practice ist eine Geschichte“ | 237
„[…] wir haben dann das Prinzip der Nachahmung auch auf kleineren Ebenen, also Prozessin-
novation, also Neukombination von Sachen, oder Isolation von Sachen, die noch nicht gemacht
worden sind. Das ist eigentlich auch ein kreativer Prozess, wo wir sagen, das haben wir durch-
aus ein paar Mal geschafft, auch nachweislich, dass Leute auf uns zugekommen sind und das
nachahmen wollen.“ (IK-3, 2015: 24)
Was aus diesem Gesprächsauszug noch nicht ersichtlich wird, ist die Tatsache, dass
sich das Material der Nachahmung – im vorliegenden Fall der „Klimapakt“ bzw. die
„Klimabotschafter“ als Best Practice-Beispiele – oft als „widerborstig“ erweist und
sich einer perfekten Kopie „widersetzt“ (Borch und Stäheli 2009: 16). Zwar findet
sich auf der Tagesordnung der 52. öffentlichen Sitzung des Haupt- und Finanzaus-
schusses der Stadt Bensheim am 1. Februar 2016 unter Punkt vier die Ankündigung
der „Gründung des Klimapakts Bergstraße e.V. und Mitgliedschaft der Stadt Bens-
heim“ (Stadt Bensheim 2016: 1) sowie auch in der Koalitionsvereinbarung von CDU,
Grünen und „Bürgern für Bensheim“ vom April 2016 die Zusage, „[d]en Klimapakt
Bergstraße e.V. gemeinsam mit weiteren Kommunen und dem Kreis Bergstraße
auf[zu]bauen“ (Grüne Liste Bensheim 2016: 8). Doch als ich den Masterplanmanager
im November 2017 auf dem letzten MPK-Vernetzungstreffen wiedersehe, erklärt er
mir, der Klimapakt Bergstraße sei bisher nicht umgesetzt worden und damit faktisch
gescheitert (F-171115-Frankfurt). Wie im vorherigem Kapitel #Best Climate Prac-
tices verdeutlicht, sind Best Practices häufig „sticky“ und „place-bound“, das heißt,
eine tatsächlich Zirkulation und Mobilisierung von Best Practices bleibt oft aus.
Nachahmung ist folglich ein durchaus politischer sowie mühsamer und keineswegs
ein natürlicher Homogenisierungsprozess. Differenz muss deshalb in einem dynami-
schen Konzept von Nachahmung, so wie ich es gebrauche, stets mitgedacht werden,
weil Instabilität immer Teil jeder noch so stabilen Wiederholung ist. Veränderungen
sind somit substanzieller Teil eines jeden Nachahmungsprozesses.
Meine stärker praxeologische Konzeption von Praxisregimen beleuchtet daher
nicht nur „die Dauer, Stabilität und Ausdehnung spezifischer Praktiken, die konkre-
ten Mechanismen, von denen ihre Wiederholung abhängig ist“ (Schäfer 2016: 142),
sondern richtet den Blick gleichermaßen auf mögliche Verschiebungen oder Zusam-
menbrüche von Regierungspraktiken mit dem Ziel, sowohl die stabilisierende als
auch die transformative Kraft von Nachahmung am Beispiel des Regierungsinstru-
ments Best Practice analytisch zu erfassen. Dies wiederum wirft die Frage auf, wie
Best Practices überhaupt politisch wirkmächtig werden, das heißt, inwiefern Best
Practices tatsächlich sowohl zu einem bestimmten Verständnis als auch zu einer be-
stimmten Praxis von „gutem“ kommunalem Klimaschutz beitragen. Diese Frage be-
leuchte ich im Folgenden unter zwei verschiedenen Aspekten genauer.
Erstens kommt ihrer sprachlichen Ausbuchstabierung eine besondere Bedeutung
zu, da es sich bei Best Practice-Beispielen um eine textbasierte Regierungstechnik
handelt (im Gegensatz zu kalkulativen Techniken wie z.B. CO2-Bilanzierungen oder
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Title
- Kommunen im Klimawandel
- Subtitle
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Author
- Nanja Nagorny-Koring
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Size
- 15.4 x 23.0 cm
- Pages
- 324
- Categories
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Table of contents
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315