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238 | Kommunen im Klimawandel
Kosten-Nutzen-Berechnungen). Die Regierungstechnologie „Best Practice“ verbin-
det auf besondere Weise Praxis und Diskurs. Regierungspraktiken werden in schrift-
liche Form gegossen, die wiederum dazu dienen soll, wiederholende Praktiken anzu-
regen. Damit möchte ich keine Unterscheidung zwischen Praxis und Diskurs einfüh-
ren, sondern im Gegenteil betonen, dass beide nicht zu trennen sind. Eine Erweite-
rung der gouvernementalen Analyse um eine performativitätstheoretische Perspek-
tive ist daher hier sinnvoll, um den wirklichkeitskonstituierenden Charakter von Best
Practices besser greifen zu können. Eine performativitätstheoretische Perspektive
konzipiert Sprache nicht rein beschreibend oder rechtfertigend, sondern vielmehr
wirklichkeitsschaffend. Kommunaler Klimaschutz wird hier zu einem Beispiel dafür,
wie ein Feld der politischen Intervention aufgeführt wird, statt dass es von vorneher-
ein vorgegeben wäre. Es wird durch eine Vielzahl an Aktivitäten (wie z.B. die Iden-
tifizierung, Verbreitung und Nutzung von Best Practices) und durch eine Vielzahl
von Akteuren (Kommunen, Berater, Forschungseinrichtungen, Ministerien u.v.m.),
die einander verstärken, produziert und reproduziert, wobei es in diesem gesamten
Re-Produktionsprozess stets Momente der Veränderung gibt (Cidell 2015).
Zweitens stellt sich unter dem Aspekt der politischen Wirkmächtigkeit von Best
Practices die Frage nach den Wechselwirkungen und Anpassungsleistungen, die zwi-
schen Rationalitäten und Technologien entstehen. Hauptziel des Best Practice-An-
satzes ist es, aus der Summe einzelner Praktiken allgemeingültige Prinzipien abzu-
leiten. Diese Best Practice-Prinzipien können sich dann zu einem Modell oder Stan-
dard weiterentwickeln und dadurch bestehende Regierungsrationalitäten entweder
stabilisieren und unterstützen oder aber auch infrage stellen und Veränderungsdruck
aufbauen. Es ist daher zu diskutieren, inwiefern Best Practices zu Systemwandel2 und
Veränderung anregen können oder ob sie stattdessen zu einer Depolitisierung des
Politikfeldes beitragen, dadurch dass sie Diskussionsraum beschneiden und Alterna-
tivlösungen marginalisieren. Eine solche eher machtkritische Analyse von Best Prac-
tices kann zeigen, dass das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ stets als Ergeb-
nis der Privilegierung bestimmter Stimmen und der Negierung anderer verstanden
werden muss.
2 Wenn ich von „System“ spreche, geht es mir nicht um Wallerstein’sche oder (neo-)mar-
xistische Konnotationen, sondern ich verwende den Begriff in Anlehnung an die Sustaina-
bility Transition Studies und die Multi-Level-Perspektive, die die Gesellschaft als komple-
xes sozio-technisches System konzipieren (vgl. dazu Kapitel #Transition Management und
#Zum transformativen Potenzial von Best Practices).
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Title
- Kommunen im Klimawandel
- Subtitle
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Author
- Nanja Nagorny-Koring
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Size
- 15.4 x 23.0 cm
- Pages
- 324
- Categories
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Table of contents
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315